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Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Titel: Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
Autoren: Stephan Schulmeister
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großen Krise
Ein »New Deal« für Europa
     

Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, Armut und Klimawandel im Ganzen bekämpfen
     
    Im – langsam untergehenden – Zeitalter des Neoliberalismus halten sich Ökonomen und Wirtschaftspolitiker bei der Diagnose von Problemen an zwei Grundsätze. Erstens: Wo ein Problem in Erscheinung tritt, dort liegen auch seine Ursachen. Zweitens: Jedes der großen Probleme wie Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit oder Klimawandel wird isoliert betrachtet und bedarf dementsprechend einer »Spezialtherapie«.
    Zwei Beispiele verdeutlichen diese »arbeitsteilige« Sichtweise. Beispiel 1: Die Hauptgründe für hohe Haushaltsdefizite und steigende Staatsverschuldung sind übermäßige Staatsausgaben und die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung. Beispiel 2: Die Hauptursachen hoher Arbeitslosigkeit bestehen in übermäßigen Lohnkosten und überregulierten Arbeitsmärkten.
    Diesen (Symptom-)Diagnosen entsprechen die (Symptom-)Therapien. Im Hinblick auf die Staatsfinanzen wird verordnet: Der Staat soll durch (Maastricht-)Regeln zu Disziplin verhalten werden, er soll seinen Haushalt durch Sparen konsolidieren und sich durch umfassende Privatisierungen aus der Wirtschaft zurückziehen. Arbeitslosigkeit soll bekämpft werden durch Reduktion der Reallöhne, durch geringere Lohnnebenkosten, durch Senkung der Anreize zur Arbeitslosigkeit (Kürzung von Arbeitslosengeld etc.), sowie durch die Schaffung atypischer Beschäftigungsverhältnisse.
    Tatsächlich sind die großen Probleme wie Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, Ungleichheit in der Verteilung von Einkommen, Vermögen und (damit) der Entfaltungschancen oder die Umweltverschlechterung gemeinsam angewachsen in einem langen Entwicklungsprozess. Dieser Prozess wurde immer stärker von neoliberalen Leitlinien geprägt, verbunden mit einer Verlagerung der kapitalistischen Kernenergie, des Profitstrebens, von real- zu finanzwirtschaftlichen Aktivitäten.
    Strategien zur Bewältigung der gesellschaftlichen Hauptprobleme müssen diese Transformation vom Realkapitalismus der 1950er bis 1970er Jahre zum Finanzkapitalismus der vergangenen drei Jahrzehnte berücksichtigen, also eingebettet sein in den Prozess des polit-ökonomischen Entwicklungszyklus. Seine letzte Talsohle wurde durch die große Depression der 1930er Jahre und den Zweiten Weltkrieg geprägt. Das Lernen aus der Krise ermöglichte die realkapitalistische Prosperitätsphase: Anhaltende Vollbeschäftigung und der stetige Ausbau des Sozialstaats stärkten Gewerkschaften und Sozialdemokratie, gleichzeitig drifteten die Intellektuellen nach links, die Vermögenden gerieten gesellschaftspolitisch in die Defensive, die Losungen des Neoliberalismus wurden für sie (wieder) attraktiv. Die schrittweise Entfesselung der Finanzmärkte nach neoliberaler Rezeptur seit Anfang der 1970er Jahre verlagerte das Gewinnstreben von Real- zu Finanzinvestitionen und prägte so die finanzkapitalistische Abschwungsphase der vergangenen drei Jahrzehnte.
    Während der Realkapitalismus durch seinen Erfolg zugrunde gegangen war, geht nun der Finanzkapitalismus an seinem Misserfolg zugrunde – die Krise ist die große Frucht nach neoliberaler Blüte. Fazit: Das Ende der Sackgasse ist erreicht und damit der Anfang einer neuen Talsohle im langen Zyklus.
    Um möglichst frühzeitig aus der Krise zu lernen und diese so zu verkürzen, bedarf es eines wirtschafts- und sozialpolitischen Gesamtkonzepts, insbesondere für die EU . Denn in Europa hat sich der »neoliberale Smog« in den Köpfen der Eliten besonders stark ausgebreitet. Gleichzeitig verstärkt die Krise die Spannungen innerhalb der Union, was wiederum alte Feindbilder zum Leben erweckt, innerhalb der einzelnen Länder (Inländer versus Ausländer) ebenso wie zwischen den Ländern (Mitteleuropa versus Club Med). In einer hartnäckigen Krise wird sich auch manches Gespenst der europäischen Geschichte wieder beleben lassen.
    Fazit: Ein »New Deal« für Europa ist nicht nur zur Bewältigung der ökonomischen Hauptprobleme im Ganzen nötig, sondern auch zur Stärkung des sozialen und europäischen Zusammenhalts.

1. Hauptthesen des Essays
     
    Ich möchte in diesem Papier folgende Thesen begründen und ihre Bedeutung am Beispiel der Konsolidierung der Staatsfinanzen erläutern.
    These 1: Die gängigen Symptomdiagnosen und -therapien sind eingebettet in die neoliberale Weltanschauung und damit Teil der langfristigen Produktion der großen Probleme
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