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Mitte der Welt

Mitte der Welt

Titel: Mitte der Welt
Autoren: Ursula Priess
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Preise kaputt und bedienst unnötig das Bild von den reichen Ausländischen.
    Hatices verschämter Blick und ihr honigsüßer Dank, wenn ich erhöhe. Sie habe es doch immer gesagt – wem eigentlich, ihrem Ömer vielleicht? –, dass ich anders sei und dass sie mich nie vergessen werde.
    Und ich werde dich nie vergessen, weil du so gut über mich denkst!, sage ich lachend; obwohl ich nicht weiß, ob sie nicht doch weiß, was ich ihr verberge.
    Und jedes Mal, wenn ich ihr sage, dass ich wieder für ein paar Tage nach Deutschland muss, sie also nächste Woche nicht zu kommen brauche, sagt sie: Vergiss nicht, deine Verwandten und Freunde nach Arbeit zu fragen für Ömer!
    Und jedes Mal verspreche ich, Augen und Ohren offen zu halten. Denn meine Einwände, das sei heutzutage gar nicht mehr so leicht und überhaupt, und erst recht nicht mit türkischem Pass, übergeht sie, das wisse sie alles, aber wer weiß.
    Einmal fragte ich, warum denn nicht ihr Bruder in der Schweiz Arbeit suche für Ömer.
    Mein Bruder, sagte sie, ist ein türkischer Arbeiter, der kennt doch nur seine Kollegen in der Fabrik, aber du bist eine hanım efendi , eine Dame, und deine Bekannten sind bestimmt Deutsche, die Geschäfte oder Fabriken besitzen. Auf dich hören sie. Bitte sag ihnen, dass Ömer fleißig ist und zuverlässig und dass er jede Arbeit macht, jede! Und auch ich kann in der Fabrik arbeiten. Oder wenn für mich dort keine Arbeit ist, kann ich auch putzen gehen, so wie hier.
    Und heute wieder verspreche ich, dass ich in Deutschland von ihr und Ömer erzählen werde; und sage wie immer auch: Aber mach dir nicht zu viel Hoffnung!
    Hatice schlüpft in ihre Schuhe und sagt: Allah wird’s geben, wenn es ihm gefällt, dass wir dort Arbeit finden.
    Hatice, ich hab eine andere Idee: Ich werde nicht von dir und Ömer erzählen, sondern etwas über euch schreiben, vielleicht ja erfahren dann mehr Leute, dass ihr Arbeit sucht – was hältst du davon?
    Hatice schaut mich unsicher an, bindet sich das Kopftuch noch einmal neu; dann plötzlich lacht sie: Wenn Allah es will, warum nicht, wenn’s hilft – so wie du von dem, der schlecht gewählt hat, gut sprichst –
    Du meinst den Taxifahrer?
    Ja, du denkst von allen nur Gutes.
    Was weißt du denn, wie ich von dir denke!
    Nun lacht auch sie, herzlich und schön.
    Ich könnte berichten, was alles du mir geschenkt hast, die Häkeldecke, die Nüsse aus deinem Dorf, eine ganze Tüte voll, oder wie wunderbar du mir alle paar Wochen den Kopf mit Henna bepackst, wie angenehm deine Hände sind, fein und zart und doch so sicher.
    Sie wehrt ab. Das kann doch jede!
    Nicht in Deutschland.
    Wieder schaut sie unsicher, sagt aber doch: Ich weiß, du wirst mit Allahs Hilfe schon das Richtige erzählen. Und als sie bereits in der Tür steht, noch einmal: Sag ihnen, Ömer ist ein guter Mann und ehrlich, er macht wirklich jede Arbeit!
    Ja, ich versprech es dir!
    Sie zwinkert mir zu: Pass gut auf dich auf!
    Du auch, pass gut auf dich auf!, sage ich und höre, als sie treppabwärts geht, dem Klacken ihrer Schuhe nach, bis unten die Haustür ins Schloss fällt.

DIES IST MEIN LAND
    Beim Abflug-Gate steht er wieder, wieder in Begleitung seiner beiden Polizisten!
    Wo sie ihn wohl hinbrächten, fragte ich mich, als ich, wartend vor dem Check-in-Schalter, die drei durch die Halle gehen sah. Aber was geht’s mich an, dachte ich und kümmerte mich um mein Gepäck, schließlich wird nicht jeder einem grausamen Schicksal ausgeliefert!
    Nun steht er dort – ein junger Mann mit schlichtem Gesicht, ohne Schnauzbart, aber im Nacken sein Haar wie eine Matte, das Hawaii-Hemd weit offen, ein Goldkettchen auf der Brust. Ohne eine Spur von Unsicherheit oder Angst steht er da und schaut hinaus – nein, Anlass zu Sorge gibt es wohl wirklich nicht! Vielleicht, so neugierig wie er dem emsigen Getriebe ums Flugzeug herum zuschaut, ist es sein erster Flug.
    Wie aber kam er nach Deutschland, dass er so zurückkehrt?
    Einer der Polizisten, als zum Einstieg aufgefordert wird, überreicht der Hostess ein Ticket und flüstert ihr etwas ins Ohr; worauf sie nickt und den jungen Mann im Hawaii-Hemd mit einem kurzen Blick taxiert. Der andere Polizist gibt dem jungen Mann mit einer richtungweisenden Kopfbewegung zu verstehen, dass er sich einreihen solle. Was er sofort befolgt. Worauf seine beiden Polizisten, einen Schritt Abstand haltend, sich hinter ihn stellen. Und ich – ich reihe mich ebenfalls ein; nun will ich sehen, wie so etwas
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