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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten
Autoren: Alexandra Marinina
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völlig in Ordnung«, sagte sie mit hölzerner Stimme.
    »Aber du bist kreidebleich.«
    »Das sind die Gefäße. Meine Haut ist schlecht durchblutet.« Sie schwieg eine Weile und fuhr fort, das Spiegelbild ihres Chefs in der dunklen Scheibe zu betrachten.
    »Sie haben recht«, sagte sie schließlich. »Das ist Schwachsinn. Es gibt keinen Killer, der die Scharfschützin umbringen will.«
    »Woher weißt du das?«
    »Der Killer und die Scharfschützin sind ein und dieselbe Person. So geht alles auf.«
    »Was geht auf?«
    »Alles. Eins zu eins. Morgen können wir Russanow verhaften. Am besten wäre es natürlich, wir könnten das heute noch tun, aber dazu sind zu viele Formalitäten nötig, das schaffen wir heute nicht mehr. Viktor Alexejewitsch, die Lewtschenko hat den Auftrag bekommen, sich selbst umzubringen. Was denken Sie, wird sie tun? Platonow umbringen und versuchen unterzutauchen? Oder wird sie nach einer Möglichkeit suchen, damit beide sich retten können?«
    »Wie die Lewtschenko sich in dieser Situation verhalten wird, mußt du mir sagen, mein Täubchen. Du bist hier die Frau, nicht ich«, erwiderte Gordejew mit einem Achselzucken.
    »Wenn sie so ist, wie ein Scharfschütze sein muß, dann trifft sie keine voreiligen Entscheidungen, dann behält sie die Ruhe. Sie wird eine Lösung suchen, bei der der geringste Aufwand zum optimalen Resultat führt, wie der eine Schuß, mit dem der Scharfschütze tötet. Was muß sie tun, um das Fiasko abzuwenden, das mit dem Auftrag verbunden ist?«
    »Was denn?« fragte Gordejew gespannt. »Sie darf den Auftrag nicht ausführen. Der Auftrag muß annulliert werden. Und wie kann das geschehen? Richtig. Sie muß den Auftraggeber umbringen.«
    »Und wie kommst du darauf, daß Russanow der Auftraggeber ist?«
    »Der Auftraggeber ist nicht Russanow. Das wissen Sie so gut wie ich. Russanow ist nur ein Komplize, ein Mittler. Nur Kira Wladimirowna hält ihn sehr wahrscheinlich für den Auftraggeber. Sie hat mit ihm Kontakt gehabt. Sie hat seine Telefonnummer. Ganz offensichtlich ist sie ihm auf die Schliche gekommen und weiß nun, daß er für die andere Seite arbeitet. Deshalb sieht sie vermutlich ihn in der Rolle des Auftraggebers. Wenn sie Platonow fragen würde, würde er ihr erklären, wie die Dinge liegen, aber sie kann ihn nicht fragen, weil sie ihm nicht sagen kann, daß sie weiß, daß sie beide umgebracht werden sollen. Sie wird ihm ja nicht unter die Nase reiben, daß sie eine Auftragskillerin ist. Wir riskieren nichts, Viktor Alexejewitsch. Sie wird sich auf den Weg machen, um Russanow zu töten, und dann fassen wir sie. Anders können wir es nicht machen. Sie muß die Waffe bei sich haben, und noch besser wäre es, wenn wir sie in dem Moment fassen könnten, in dem sie zum Schießen ansetzt. Dann entkommt sie uns nicht mehr.«
    »Bist du dir dessen bewußt, daß Platonow mit ihr allein ist? Und wenn sie ihn umbringt?«
    »Ja, sie ihn oder er sie. Ein Risiko ist immer dabei, Viktor Alexejewitsch. Auch wenn man auf der Straße spazierengeht, kann man hinfallen und sich ein Bein brechen. Wenn Platonow dieses abenteuerliche Spiel mit den Anrufen im Zentralen Adressenbüro angezettelt hat, dann weiß er, wer seine Freundin ist, er weiß, daß sie der gesuchte Scharfschütze ist, und er hat sie an uns ausgeliefert. Was glauben Sie, wie ist er ihr auf die Schliche gekommen? Nach seinem Verhalten zu urteilen, ist Ihr Platonow ein Mensch mit einer normalen Psyche und einem entwickelten Intellekt, und wenn er beschlossen hat, uns diese Frau auszuliefern, dann muß er stichhaltige Beweise haben. Ein ganzes Kilo an Indizien. Er hat den Revolver gefunden, Viktor Alexejewitsch, er hat diese verdammte Neunmillimeter-Stetschkin gefunden. Und da er ihn gefunden hat, hat er den Schlagbolzen abgesägt, da gehe ich jede Wette mit Ihnen ein. Jeder normale Kripobeamte würde das tun. Und Platonow ist, wie wir beide bereits festgestellt haben, ein normaler Kripobeamter. So daß Madame Lewtschenko aus der Stetschkin keinen Schuß mehr abgeben wird. Natürlich könnte es sein, daß sie noch eine zweite Waffe besitzt. Und natürlich könnte Platonow anders sein, als ich ihn mir vorstelle. Aber ein Risiko bleibt immer . . .«
    6
    In dieser Nacht schliefen sie zusammen in einem Bett. Platonow wollte Kira nicht die ganze Nacht allein im anderen Zimmer lassen, er mußte sie im Auge behalten. So konnte er sicher sein, daß er sofort aufwachen würde, wenn sie versuchen sollte, das Bett zu
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