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Mit dem Blick aufs weite Meer

Mit dem Blick aufs weite Meer

Titel: Mit dem Blick aufs weite Meer
Autoren: Vanessa Grant
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unmittelbar vor der Hochzeit weggelaufen, weil sie jedesmal im letzten Moment vor den Verpflichtungen zurückgeschreckt war.
    Was sein eigenes unausgefülltes Liebesleben anging, so wusste Kent, dass der Fehler bei ihm lag. Wahrscheinlich würde er nie so stark für eine Frau empfinden können, um ihr auch nur einen Bruchteil der Zeit zu opfern, die er für seinen Beruf brauchte. Als er jetzt den Blick seiner blauen Augen auf den Briefumschlag heftete, hörte er in Gedanken die Stimme seiner älteren Schwester, die ihm vor langer Zeit vorgeworfen hatte, er sei ein hartherziges Ungeheuer.
    Vielleicht war er wirklich hartherzig. Aber er fand diesen Wesenszug immer noch besser als die Art seiner Schwester, eine Katastrophe nach der anderen auszulösen. Und jedesmal darauf zu hoffen, dass jemand einem aus der Patsche helfen würde. Jahrelang hatte sein Vater Charlottes Missetaten ausgebügelt. Nach dessen Tod hatte Kent diese Aufgabe übernommen, so wie er das gesamte Ferguson-Unternehmen übernommen hatte. Obwohl Charlotte sechzehn Jahre älter war als er, hatte er sich immer für alles verantwortlich gefühlt. Er war für die Arbeit, zuständig und musste mit Charlottes Exmännern fertig werden, während sie das Geld ausgab und ihre Freiheit genoss.
    Manchmal hatte er große Lust, seine Schwester durchzuschütteln, um sie zur Vernunft zu bringen. Aber jetzt wäre es sinnlos, das hätte er schon längst tun müssen.
    Konzentriert las er den Inhalt des Telegramms und überlegte, welches Problem dahinterstecken könnte. Als sein Vater noch dafür zuständig war, hatte Charlotte ihn immer angerufen. Jetzt telegrafierte sie, wahrscheinlich weil sie sich mit Kent nicht so gut verstand.
    Er drückte die Gegensprechanlage. “Patricia, wo liegt Port Townsend?”
    Es folgte eine Pause, während Patricia in einem ihrer Nachschlagebücher nachschaute.
    Dann sagte sie: “In den Vereinigten Staaten, an der Einfahrt zum Puget Sound.”
    “Bei Seattle?”
    “Ungefähr sechzig Meilen nördlich davon. Verbindungsstraße über Brücken und Fähren. Es gibt dort auch einen Flugplatz.”
    Beim letzten Mal hatte sich Charlotte aus Sitka in Alaska gemeldet. Allerdings hätte Kent seine Schwester nicht für so verrückt gehalten, ausgerechnet nach Alaska zu segeln. Warum nicht in das warme Mexiko oder nach Tahiti! Aber er hatte es schon nicht verstanden, dass sie das Boot kaufte.
    Warum konnte sie sich nicht wie jede andere normale Frau mittleren Alters verhalten? Ein geruhsames Leben führen, einigen Klubs beitreten, Bridge spielen und sich nicht immer noch wie ein ausgeflippter Teenager aufführen!
    “Patricia, richten Sie Wayne aus, dass ich morgen früh mit dem Lear-Jet nach Port Townsend fliegen will. Und ich brauche dort am Flugplatz einen Leihwagen. Sagen Sie auch bitte das Abendessen morgen bei meiner Mutter ab.”
    Gewöhnlich übergab Kent Charlottes Angelegenheiten seinem Rechtsanwalt. Aber der würde wahrscheinlich nicht wissen, was er mit einer herrenlosen Jacht im Segelhafen von Port Townsend anfangen sollte. Warum kümmert sich Charlotte nicht selbst um ihr verdammtes Boot, wenn sie unbedingt eins haben muss, dachte Kent wütend.

    Kent ließ Charlottes Boot unverschlossen und machte sich auf die Suche nach dem Hafenbüro. Er hatte dort zwar nicht Viel Glück, aber man konnte ihm wenigstens eine Firma in Seattle nennen, die Bootstransporte durchführte. Er rief die Firma von einer öffentlichen Telefonzelle an. Während er auf die Verbindung wartete, beobachtete er einen grauen Lieferwagen, der neben seinem Leihwagen einparkte. Die Fahrertür wurde aufgerissen und hätte um ein Haar seinen Ford gerammt. Kent zuckte erschrocken zusammen.
    Aus dem Lieferwagen stieg eine junge Frau in Jeans und saloppem Baumwollhemd. Als sie sich vorbeugte, um etwas aus dem Wageninneren zu holen, blieb Kents Blick an den Jeans hängen, die sich straff über Hüften und Hinterteil spannten. Die junge Frau richtete sich wieder auf. In der Hand hielt sie jetzt ein unförmiges dunkelblaues Stoffbündel. Sie mochte Ende Zwanzig sein. Mit ihrer rötlichen, wildgelockten Mähne würde sie in einem grünen Abendkleid einfach umwerfend aussehen. Davon war Kent überzeugt.
    Jetzt schüttelte sie sich das Haar aus dem Gesicht, stieß mit der Hüfte energisch gegen die Wagentür, die daraufhin zuknallte. Feste Muskeln und zarte helle Haut, dachte Kent. Als sie das Stoffbündel auf eine Hüfte hievte, fügte er zu Seiner Bestandsaufnahme noch “sehr
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