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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt
Autoren: Dennis Gastmann
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höchsten Punkt der Nieder-Lande? Es ist der Vaalserberg im Dreiländereck bei Aachen mit lächerlichen 322,7   Metern. Der tiefste Punkt Hollands liegt im Zuidplaspolder bei Gouda. Eingerahmt von der A20, einem Autohaus und ein paar Buchsbüschen steht eine meterhohe Aluminiumsäule. Davor sprüht eine Fontäne Wasser in den Regen. Auf der Säule ist eine dunkelblaue Skala, die den Meeresspiegel anzeigt: Der Zuidplaspolder liegt 6,74   Meter unter Normalnull. Er ist übrigens auch der Tiefpunkt Europas.
    Elf Millionen Holländer leben unter dem Meeresspiegel –und der steigt immer weiter an. Damit das Käseland eben nicht in Not gerät, investiert es Milliarden in Sperrwerke an den Küsten und Flussmündungen. Rotterdam zum Beispiel hat sich ein gigantisches Tor in den Hafen gesetzt. Zwei tonnenschwere Flügel, die sich bei einer Sturmflut zusammenschieben und über eine Million Menschen vor dem Wasser schützen sollen.
    Noch eine Nummer größer ist das Oosterscheldewehr, ein kilometerlanger Damm, der im Ernstfall die gesamte Region Zeeland abriegelt und allmählich zu einer sonderbaren Touristenattraktion mit Spaßbad und Seelöwenshow mutiert. Es gibt viele solcher Wehre. Das hat mit jener Nacht im Winter des Jahres 1953 zu tun, die sie in Holland «de Ramp» nennen, die Katastrophe: Eine Springflut und ein schwerer Sturm erfassten den Süden des Landes, schnell stieg das Wasser um drei, vier Meter an. Es überraschte die Menschen im Schlaf, und zweitausend von ihnen starben. Auch wenn die Küsten heute bis über sieben Meter Wasserhöhe sicher sein sollen, fürchten sich viele Holländer noch immer. Nachts, wenn der Wind über die Brandung heult und man nicht weiß, ob man das Meer lieben oder hassen soll.
    In solchen Nächten haben einige Küstenbewohner Albträume. Andere haben Visionen.
    Und manche haben gleich beides. Es ist keine fünf Jahre her, da träumte Johan Huibers von einer verheerenden Sturmflut. Sie kam plötzlich, und niemand hatte sie vorhergesagt. Schnell war klar, dass der Wind stärker blies und die Wellen höher schlugen als bei der Katastrophe in den Fünfzigern. Holland schloss die teuren Tore und Barrieren, doch es half nichts. Das Wasser stieg und stieg, überwand die Wehre, und alle Dämme brachen. Wie eine Walze überrolltedas Meer die Küste und riss jedes Haus, jeden Menschen und jedes Tier mit sich. Doch sein Hunger war noch nicht gestillt. Ohne Erbarmen fraß sich die Flut nun auch ins Inland, bis sie ganz Holland verschlungen hatte.
    Am nächsten Morgen konnte sich Johan an jedes Detail seines Traums erinnern. Und weil er ein gläubiger Mensch ist, hielt er es für ein göttliches Zeichen. Er las die Heilige Schrift und erschrak, als er erkannte, dass Noah zu seiner Zeit denselben Traum hatte. Johan begriff, welches Schicksal der Herr ihm in dieser Nacht zuteilwerden ließ. Er nahm einen Hammer und eine Axt, fällte eintausend Bäume und tat es dem Mann gleich, der die Menschheit einst vor der Sintflut gerettet hatte. Johan Huibers zimmerte eine Arche.
    Es bleiben Zweifel, als ich an der Seite von Deborah Huibers durch eine siebzig Meter lange, zehn Meter breite und zwölf Meter hohe Holzarche laufe. Sie ist die Tochter von Johan, der absagen musste, weil er gerade an einer neuen, doppelt so großen Arche baut. Allein.
    Deborah hätte eine wunderbare Frau Antje abgegeben. Auch sie ist ein wenig zu stark geschminkt, mit langem, goudafarbenem Haar und freundlichen Kuhaugen. Wie zwei Holzschuhe hängen der Produzent und ich an ihr, als sie uns über das Schiff führt. Die Arche schwimmt auf einem Ponton und tourt als Attraktion durch ganz Holland. Sie gleicht ihrem biblischen Vorbild bis ins Detail: Über einem gigantischen, geschwungenen Rumpf thront eine Konstruktion aus vier Holzwänden und einem Giebeldach. Der Innenraum hat vier Stockwerke, Platz für eintausend Menschen. An den Seiten sind Ställe, in denen geschnitzte Giraffen, Elefanten, Büffel und andere Holzviecher aller erdenklichen Rassen stehen. Von jeder Art genau ein Paar.
    «Sie haben hier sicher viele Besucher!»
    «Ja, bis heute schon eine halbe Million.»
    Deborah strahlt. Sie hat allen Grund zur Freude. Erwachsene zahlen fünf Euro Eintritt, Kinder bis zwölf Jahre immerhin drei Euro. Die Arche akzeptiert auch Visa und Mastercard. Auf der untersten Ebene des Schiffes ist ein Kinoraum, in dem gerade ein Zeichentrickfilm über die Sintflut läuft. Nebenan kann jeder selbst mal Gott spielen. Du ziehst an einem
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