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Mit 13 hat man täglich Ärger

Mit 13 hat man täglich Ärger

Titel: Mit 13 hat man täglich Ärger
Autoren: Tina Caspari
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aber Katja lernte schnell, an
ihren Augen abzulesen, was sie sagen wollte.
    Katja selbst erholte sich
rasch.
    „Meine Musterpatientin“, sagte
Dr. Brettschneider, der Stationsarzt, wenn er an ihr Bett trat, und Schwester
Margarethe drückte beide Augen zu, wenn sie bemerkte, daß Katja wieder an
Petras Bett gewesen war.
    Als Katja am vierten Tag aus
ihrem Mittagsschlaf erwachte und wie immer als erstes zu Petra hinüberschaute,
traute sie ihren Augen nicht: Petra lag wie gewohnt regungslos auf dem Rücken,
aber unter dem dicken Kopfverband bewegte sie rhythmisch den Mund, drückte den
Unterkiefer mal in die eine, mal in die andere Richtung und zog die Lippen so weit
es ging auseinander.
    „Was machst du denn da?“ fragte
Katja fassungslos.
    „Morgengymnastik“, kam es
heiser aus dem Nachbarbett. Das Sprechen fiel ihr noch schwer. „Ich trainiere
meine Kauwerkzeuge.“
    Katja fühlte einen heißen Strom
von Freude ihren Körper durchrieseln. Petra war also über den Berg! Katja hätte
am liebsten laut „Juhu!“ geschrien. Statt dessen sagte sie mahnend: „Nun mal
langsam, Sportsfreund, sonst platzt deine bildschöne Naht am Kinn, und der
Onkel Doktor muß dir noch ’n paar Drähte einziehen.“
    „Egal“, krächzte Petra wie eine
aus dem Nest gefallene Krähe, „ich will wieder richtig essen können. Dieses
Künstlich-Ernährt-werden ist ja zum...na ja...“
    „Was hast du denn mit deiner
Nachtigallenstimme gemacht? Bißchen eingerostet, wie?“
    „Wußtest du das nicht? Das ist
der letzte Schrei.“
    „Petra?“
    ”Hm?“
    „Ich...ich bin so froh, daß es
dir besser geht.“ Schwester Rosanna, die aus Italien stammte und in ihrem
blassen Kindergesicht Augen wie zwei Stückchen Kohle hatte, kam mit einem Tablett,
um Katja Tee und Kuchen zu bringen.
    „Könnte ich bitte eine Cola
haben?“ krächzte es in ihrem Rücken.
    Schwester Rosanna ließ vor
Schreck beinahe das Geschirr fallen.
    „Madonna mia, was war das? Du
sprechen?“ fragte sie fassungslos.
    „Na, als Sprechen würde ich das
gerade nicht bezeichnen, sie gibt Töne von sich!“ meinte Katja trocken.
    „Ich hören Cola. Hier nix Cola,
hier nur Tee!“ sagte Rosanna streng, um ihre Würde wiederzugewinnen.
    Sie brachte ein zweites Gedeck
mit Tee und Kuchen und stellte es neben Petra ab. Dann ging sie wieder. Petra
betrachtete nachdenklich den Kuchen. Katja schob sich aus dem Bett und setzte
sich zu ihr.
    „Soll ich ihn dir vielleicht
vorkauen?“
    „Versuchen wir’s erst mal mit
Trinken.“
    Katja holte ein Handtuch und
drapierte es wie ein Lätzchen um den Hals der Freundin. Allmählich bekam sie
Übung darin, alles mit einer Hand zu machen. Dann setzte sie Petra vorsichtig
die Tasse an die Lippen. „Du kannst beruhigt sein, im Füttern von Babys bin ich
Profi.“
    Petra verzog das Gesicht. Es mußte
scheußlich weh tun.
    „Sollen wir’s lieber lassen?“
fragte Katja besorgt.
    Petra hatte sich zurücksinken
lassen und die Augen geschlossen. „Nur einen Moment Pause machen.“ Sie atmete
schwer. „So, jetzt kann’s wieder losgehen.“ Sie nahm drei, vier Schlucke, jeder
Muskel in ihrem Gesicht schmerzte.
    „Braves Mädchen. So, für
diesmal reicht’s aber.“
    Petra tastete nach dem Kuchen,
sie brach sich ein kleines Stück ab und schob sich ein paar Krümel in den Mund.
Katja beobachtete sie voller Bewunderung.
    „Hast du nichts anderes da? Der
Kuchen hier — das ist ja der reinste Würgeengel.“
    „Banane, Schokolade oder
Orangenstückchen.“
    „Orange bitte. Ich will’s jetzt
wissen.“
    „Das merke ich.“
    Schwester Margarethe kam mit
den Fieberthermometern. Ihr blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen. „Ja, was
ist denn das?“
    „Die Musterpatientinnen geben
eine Party“, sagte Katja vergnügt. „Sie sind herzlich eingeladen!“
    „Gib mir doch mal deinen
Spiegel“, sagte Petra zwischen zwei Apfelsinenscheibchen.
    Katja wich aus. „Das hat Zeit
bis morgen.“
    „Ich will aber wissen, wie ich
aussehe!“
    „Das kann ich dir auch so
sagen: im Moment wie eine Kreuzung aus einem Wiederkäuer und einer Qualle.“
    „Schööön! Das hab ich mir schon
immer gewünscht.“
    Katja war so glücklich über
Petras neuerwachten Lebenswillen gewesen, aber es sollte noch zu einer Krise
kommen.
    Am nächsten Tag bekam Petra
Besuch von ihrer Mutter. Hatte Dr. Brettschneider sie nicht vorbereitet? Sie
starrte fassungslos in das, was von Petras Gesicht unter dem dicken Verband
noch zu sehen war — verschwollen und mit
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