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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
Autoren: Carola Dunn
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und nicht die richtigen gesellschaftlichen Instinkte besitze. Als mir das Stipendium bewilligt wurde, dachte ich, jetzt müßte ich nur noch beweisen, daß ich es auch verdient habe. Aber ich könnte hundertmal als Erster meines Jahrgangs abschlie-
    ßen, könnte mit Ehren überhäuft werden – mein Vater wäre immer noch ein kleiner Koofmich.«
    »Da ist doch nichts Schlimmes dran, Ladenbesitzer zu
    sein«, versuchte Daisy ihn aufzumuntern. »Napoleon hat zwar behauptet, wir Engländer seien eine Nation von Laden-besitzern, aber besiegt haben wir ihn trotzdem.«
    »Ist auch nichts Schlimmes dran, solange wir wissen, was unserem Stand ziemt«, erwiderte Bott mürrisch. »Und das ist jedenfalls nicht ein Studium in Oxford, wo wir auch noch mit den Bessergestellten konkurrieren. ›Bessergestellte‹ – daß ich nicht lache! Die Hälfte der arroganten Snobs, die mich hier wie ein Stück Dreck behandeln, ist nur über familiäre Beziehungen nach Ambrose gekommen. Und wenn die alle noch
    so viele Nachhilfestunden nehmen: die haben Glück, wenn sie gerade mal bestehen.«
    Daisy gefiel sein neidischer Tonfall nicht besonders, aber vermutlich hatte er für seine Verbitterung gute Gründe.
    Außerdem stimmte es: Gervaise hätte ein Studium in Oxford keineswegs seinen schulischen Leistungen zu verdanken gehabt. Und genausowenig hätte er vorgehabt, dort eine bril-lante akademische Karriere anzutreten. Wahrscheinlich hätte er diejenigen Kommilitonen, die nach höheren Weihen streb-ten, eher verachtet. Schließlich hatte er Daisys Bereitschaft, mit den Angehörigen niederer Schichten zu verkehren, keineswegs geteilt.
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    »Machen Sie denn bei irgend etwas außerhalb der Kurse mit?« fragte sie und fügte ahnungslos hinzu: »Schauspiel-gruppe, Rhetorik-Club, irgendwelche Streiche oder Sport, so was – ach so, Sport treiben Sie ja.«
    »Genauso hatte ich mir das gedacht. Daß ich mit dem Sport weiterkäme. Also wurde ich Steuermann, und ich spiele auch Tennis – letztes Jahr hab ich die Blaue Uniform bekommen.«
    »Sie spielen Tennis in der Mannschaft der ganzen Universität, nicht nur im College-Team? Ich gratuliere.«
    »Alles schön und gut, aber deswegen heben die Aristos nach einem Spiel noch lange kein Bier mit mir«, sagte Bott wütend.
    Seine Unbeliebtheit hatte vielleicht weniger mit seiner niederen Geburt zu tun als mit der Art, wie er sich im Gekränkt-sein suhlte, schien es Daisy. Fast hätte sie das auch gesagt, be-sann sich dann aber eines Besseren. Einen solchen Hinweis würde er ganz bestimmt in den falschen Hals bekommen, so gut sie es auch meinte. Obwohl Horace Bott ihr leid tat, fand sie ihn deswegen nicht unbedingt sympathisch.
    Er nahm ein Päckchen Woodbines aus der Hemdtasche.
    »Rauchen Sie?« fragte er und hielt ihr die Schachtel hin.
    »Nein, vielen Dank.«
    Er zündete sich eine der billigen Zigaretten an und warf das Streichholz in den Fluß. »Vermutlich rühren Sie außer türki-schen Zigaretten nichts an.«
    »Ich rauche überhaupt nicht. Zigarettenrauch mag ich nicht so gern.« Pfeifenduft – das war etwas anderes, besonders der von Alecs Pfeife.
    Bott trat einen Schritt beiseite und wedelte mit der Hand den Rauch von ihr fort. »Verzeihung. Meinem Mädchen ge-fällt das auch nicht. Sie kommt heute abend hierher – hat sich ein Zimmer in der Stadt genommen. Wenn ich diese Packung zu Ende geraucht habe, werde ich mir in den nächsten paar Tagen keine mehr kaufen.« Seine flüchtige Freude über das baldige Wiedersehen mit seiner Freundin verblaßte gleich wieder, und die Düsternis kehrte zurück. »Ich kann mir das Zeug sowieso nicht leisten.«
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    Daisy fühlte sich versucht, all die Dinge aufzulisten, die sie sich nicht leisten konnte, doch glücklicherweise kehrte die Mannschaft vorher vom Bootshaus zurück. Das Rennboot
    war zu lang, um hineinzupassen, und lag jetzt kieloben auf einem Gerüst.
    Drei der jungen Männer gingen den Rasen hinauf zum
    Haus, einer georgianischen Villa aus gealterten roten Back-steinen mit weiß umfaßten Fenstern. Jemand aus der Gruppe rief ihnen hinterher: »Und daß ihr mir nicht alles heiße Wasser aufbraucht!«
    Tish, Dottie, Cherry und vier andere kamen auf Daisy und Bott zu.
    »Daisy, erinnerst du dich noch an Cherry?« fragte Tish.
    »Aber natürlich!«
    »Guten Tag, Miss Dalrymple«, begrüßte sie der blonde
    Bugruderer.
    »Daisy bitte. Wir sind ja schließlich so gut wie Vetter und Cousine.«
    Ein Grinsen ging über sein Gesicht. »In Ordnung,
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