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Metro2033

Titel: Metro2033
Autoren: Unbekannt
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sehnten - was nach ihrer Überzeugung nur durch Angleichung der Verhältnisse erreicht werden konnte. Und so loderte schon bald auf der gesamten Linie die purpurne Flamme der Revolution. Die U-Bahn-Brücke über den Fluss Jausa war wie durch ein Wunder unversehrt geblieben, sodass die Verbindung zwischen den Stationen Sokolniki und Preobraschenskaja ploschtschad funktionierte. Zuerst war der kurze Abschnitt an der Oberfläche nur nachts und mit Draisinen in voller Fahrt zu bewältigen gewesen. Doch dann wurde die Brücke von Kriegsgefangenen und Verurteilten - unter Einsatz ihres Lebens - eingemauert und mit einem Dach versehen. Die Stationen bekamen ihre alten, sowjetischen Namen wieder: Die Station Tschistyje prudy hieß wieder Kirowskaja, die Ljubjanka wieder Dserschinskaja und der Ochotny Rjad wieder Prospekt Marksa. Stationen mit neutralen Namen wurden schnell mit ideologisch eindeutigeren Bezeichnungen versehen: Die Sportiwnaja wurde zur Kommunistitscheskaja, die Sokolniki zur Stalinskaja, und die Preobraschenskaja ploschtschad - von wo aus alles begonnen hatte - zur Snamja Rewoljuzii, dem »Banner der Revolution«. Und so wurde diese Linie, die ehemals Sokolnitscheskaja geheißen hatte, von den Moskauern aber schon immer als »rote Linie« bezeichnet worden war, ganz offiziell zur Roten Linie.
    Das war es dann aber auch. Denn kaum hatte sich die Rote Linie komplett formiert, da begann sie auch schon erste Forderungen an die anderen Strecken zu stellen. Doch damit war das Maß für die anderen Stationen voll. Zu viele Menschen hatten noch in guter Erinnerung, was das Wort »Sowjetmacht« bedeutete; zu viele sahen in den Agit-Trupps, die von der Interstationale in die gesamte Metro ausschwärmten, Metastasen eines Geschwürs, das den ganzen Organismus zu vernichten drohte. Und so sehr die Propagandisten der Interstationale auch die Elektrifizierung der Untergrundbahn versprachen und behaupteten, dies in Kombination mit der Sowjetmacht ergebe den Kommunismus (kaum jemals war diese so schamlos usurpierte Lenin'sche Devise aktueller gewesen) - die Menschen jenseits der Roten Linie ließen sich von den Verheißungen nicht verführen. Die interstationären Schönredner wurden überall abgefangen und zurück in ihren Sowjetstaat geschickt.
    Nun ordnete die rote Führung an, es sei Zeit, entschlossen zu handeln: Wenn der Rest der Metro das fröhliche Feuer der Revolution nicht selbst entfachen wolle, müsse man eben etwas nachhelfen. Die benachbarten Stationen, beunruhigt von verstärkter kommunistischer Propaganda und subversiven Aktionen, kamen zu einem ähnlichen Schluss. Die historische Erfahrung hatte klar gezeigt: Es gab keinen besseren Überträger der kommunistischen Bazille als das Bajonett.
    Der Sturm brach los. Eine Koalition antikommunistischer Stationen, angeführt von der zweigeteilten Hanse, die danach trachtete, den durch die Roten zerschlagenen Kreis zu schließen, nahm die Herausforderung an. Letztere hatten nicht mit organisiertem Widerstand gerechnet und ihre eigenen Kräfte überschätzt. Ein leichter Sieg, wie sie ihn erwartet hatten, war nicht abzusehen.
    Tatsächlich wurde es ein langer und blutiger Krieg. Für die ohnehin nicht gerade zahlreiche Bevölkerung der Metro geriet er zur Zerreißprobe. Knapp anderthalb Jahre zog er sich hin und bestand im Wesentlichen aus Positionskämpfen, jedoch, wie in solchen Fällen üblich, mit Partisanenausfällen und Diversionsakten, mit der Zerstörung von Tunneln, der Erschießung von Kriegsgefangenen und anderen Gräueltaten auf beiden Seiten. Es gab Truppenbewegungen, Einkesselungen und Durchbrüche, Heerführer, Helden und Verräter. Das Besondere an diesem Krieg war jedoch, dass keiner der Gegner es schaffte, die Frontlinie auch nur um eine halbwegs bedeutsame Distanz zu verschieben. Manchmal, so schien es, hatte die eine Seite ein Übergewicht erreicht und eine Verbindungsstation besetzt - doch sogleich strengte sich der Gegner an, mobilisierte zusätzliche Kräfte, und die Waagschale neigte sich wieder in die andere Richtung.
    Doch der Krieg verbrauchte Ressourcen. Er forderte die besten Leute. Er rieb die Menschen auf.
    Schließlich hatten die Überlebenden genug. Still und heimlich ersetzten die Revolutionsführer die anfänglichen Aufgaben durch bescheidenere. War es zu Beginn das erklärte Ziel gewesen, die sozialistische Macht und kommunistische Ideologie in der gesamten Metro zu verbreiten, so wollten die Roten jetzt wenigstens ihr
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