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Metro2033

Titel: Metro2033
Autoren: Unbekannt
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bauten militärisches Potenzial auf, um auf Überfälle mit Strafexpeditionen reagieren zu können, um ihre Nachbarn - sofern sie nicht in Frieden miteinander lebten - von lebenswichtigen Abschnitten zu verdrängen, und nicht zuletzt um dem Bösen Widerstand zu leisten, das aus allen Löchern und Tunneln hervorkam. Jene seltsamen, missgestalteten und gefährlichen Geschöpfe, von denen jedes einzelne Darwin zur Verzweiflung gebracht hätte, so wenig entsprach es den Gesetzen der Evolution. Mag sein, dass die Strahlung aus harmlosen Vertretern der Urbanen Fauna Ausgeburten der Hölle gemacht hatte; vielleicht hatten sie aber auch schon immer in jenen Untiefen gehaust und waren nun durch den Menschen aufgestört worden. Und so sehr sich diese Kreaturen von den bekannten Tierarten unterschieden, sie waren doch ein Teil des Lebens auf der Erde. Sicherlich, ein entstellter, verkommener Teil, aber doch ein Teil des Lebens. Und wie alle Organismen auf diesem Planeten wurden sie von einem einzigen Impuls beherrscht: zu überleben. Und zwar um jeden Preis ...
    Artjom nahm einen weiß emaillierten Becher entgegen, in dem Tee schwappte, ihr Tee, der Tee seiner Station. Eigentlich war es nur ein Sud aus getrockneten Pilzen mit irgendwelchen Zusätzen, denn echten Tee gab es so gut wie nicht mehr, weshalb man ihn nur an großen Feiertagen trank, zumal er um ein Vielfaches teurer war als der Pilzaufguss. Trotzdem mochten die Leute von der Station ihr Gebräu, waren stolz darauf und nannten es »Tee«. Fremde spuckten es anfangs angewidert aus, doch dann gewöhnten sie sich daran. Bald wurde ihr Tee über die Station hinaus bekannt, selbst fahrende Händler kamen deshalb zu ihnen. Zuerst waren es einige wenige, die ihre Haut dafür riskierten, doch dann verbreitete sich der Tee auf der gesamten Linie, sogar die Hanse begann sich dafür zu interessieren, und große Karawanen zogen nun zur WDNCh, um diesen Zaubertrank zu erwerben. Geld begann zu fließen. Und wo Geld ist, da sind auch Waffen, da sind Holz und Vitamine. Da ist Leben. Der Beginn der Teeproduktion an der WDNCh markierte den Anfang vom Aufstieg dieser Station. Von den umliegenden Stationen und Streckenabschnitten zogen Geschäftsleute hierher, und allmählich stellte sich Wohlstand ein. Auch auf ihre Schweine waren die Leute von der WDNCh stolz, ja man erzählte sich, sie seien von hier aus überhaupt erst in die Metro gekommen: Angeblich hätten sich ganz zu Anfang ein paar Draufgänger zur halb zerstörten Schweinezuchthalle auf dem Messegelände durchgeschlagen und die dort verbliebenen Tiere zur Station getrieben.
    »Hör mal, Artjom. Wie geht's Suchoj?«, fragte Andrej, der ebenfalls mit kleinen, vorsichtigen Schlucken an dem heißen Tee nippte.
    »Onkel Sascha? Alles in Ordnung. Ist erst vor kurzem von einem Erkundungsgang mit unseren Leuten zurückgekommen. Einer Expedition. Aber Sie wissen sicher Bescheid.«
    Andrej war gut fünfzehn Jahre älter als Artjom. Eigentlich war er Aufklärer und selten näher als bei Meter 450 zu finden, und wenn, dann nur als Kommandeur. Diesmal war er jedoch für Meter 300 eingeteilt worden, zur Absicherung. Trotzdem zog es ihn in die Tiefe, und er nutzte den erstbesten Vorwand, den kleinsten Fehlalarm, um näher an die Dunkelheit zu kommen, näher an das Geheimnis. Er liebte den Tunnel, kannte all seine Verzweigungen. Auf der Station hingegen, unter Bauern, Arbeitern, Kaufleuten und Verwaltungsbeamten, fühlte er sich unwohl - wahrscheinlich, weil er dort nicht gebraucht wurde. Er hätte sich nie überwinden können, dünne Erdschichten für die Pilzzucht umzugraben. Oder noch schlimmer, diese Pilze dann, bis zu den Knien im Mist stehend, an fette Schweine zu verfüttern. Auch der Handel lag ihm nicht - schon von Kindheit an hatte er die Krämer nicht ausstehen können. Er war stets Soldat und Krieger gewesen, überzeugt, dass nur dieser Beruf eines Mannes würdig war. Er war stolz, sein ganzes Leben nichts anderes getan zu haben, als die stinkenden Bauern, die nervösen Händler, die oft unerträglich geschäftigen Verwalter sowie die Kinder und Frauen zu schützen. Den Frauen gefielen seine herablassende, kraftvolle Art, seine vollkommene Selbstsicherheit, seine Unbesorgtheit in Bezug auf sich selbst und diejenigen, die bei ihm waren, war er doch stets in der Lage, sie zu beschützen. Die Frauen versprachen ihm Liebe und Geborgenheit, doch geborgen begann er sich erst ab Meter 50 zu fühlen, wenn die Lichter der Station hinter
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