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Metro2033

Titel: Metro2033
Autoren: Unbekannt
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können, und all seine weiteren Wanderungen wären unnötig gewesen. Doch damals war er nur zufällig an diese Tür geraten, hatte durch das Schlüsselloch geguckt und war zurückgeschreckt, denn was er gesehen hatte, hatte ihm Angst eingejagt. Jetzt aber, nach seiner langen Reise, konnte er die Tür ohne Zögern aufreißen und dem Licht des absoluten Wissens, das von dort hervorbrechen würde, entgegentreten. Und auch wenn ihn das Licht blendete, so waren die Augen doch nur ein ungeschicktes und unnützes Instrument, lediglich für jene geeignet, die in ihrem Leben noch nichts gesehen hatten außer verrußten Tunnelgewölben und dem verdreckten Granit der Stationen.
    Artjom brauchte nur die Hand zu ergreifen, die sie ihm entgegenstreckten. Eine Hand, die vielleicht hässlich war, ungewohnt, mit glänzender, schwarzer Haut umspannt, aber zweifellos eine freundlich gesinnte Hand. Dann würde sich die Tür öffnen. Und alles würde anders werden ... Vor ihm öffneten sich neue, unendlich weite Horizonte, herrlich und großartig. Sein Herz erfüllte Freude und Entschlossenheit, und es gab nur den einen Tropfen Reue darin - dass er all das nicht schon früher begriffen hatte, dass er seine Freunde und Brüder verjagt hatte, die sich nach ihm sehnten, die auf seine Hilfe hofften, seine Unterstützung, denn er war der Einzige auf der ganzen Welt, der sie ihnen gewähren konnte.
    Er legte die Hand auf die Klinke der Tür und drückte sie nach unten.
    Die Herzen von Tausenden von Schwarzen regten sich in freudiger und hoffnungsvoller Erwartung.
    Die Dunkelheit vor seinen Augen zerstreute sich, und als er wieder durch den Feldstecher blickte, sah er, dass Hunderte schwarzer Gestalten weit unten auf der Erde erstarrten. Sie alle schienen ihn anzublicken, ungläubig, dass das lang ersehnte Wunder vollbracht, dem sinnlosen Bruderkrieg ein Ende gesetzt war.
    In dieser Sekunde zog die erste Rakete wie ein Blitz über den Himmel, hinterließ eine Bahn aus Feuer und Rauch und schlug mitten in die Stadt der Schwarzen ein. Kurz darauf zerschnitten noch drei weitere Meteoriten den sich rötenden Horizont.
    Artjom fuhr auf, in der Hoffnung, den Beschuss aufzuhalten, zu befehlen, zu erklären ... Doch dann sank er in sich zusammen, denn er begriff, dass alles vorbei war.
    Eine orangene Flamme breitete sich über dem »Ameisenhaufen« aus, eine harzige Wolke erhob sich, Explosionen umringten ihn von allen Seiten. Er blähte sich auf, ein letztes, mattes Stöhnen drang aus seinem Innern, dann fiel er in sich zusammen. Der dicke Rauch brennenden Holzes und Fleisches verhüllte ihn. Und vom Himmel fielen und fielen immer neue Raketen -und jeder Tod war ein bitterer Schmerz in Artjoms Seele.
    Verzweifelt versuchte er in seinem Bewusstsein die Spur jener Präsenz zu ertasten, die ihn eben noch so angenehm erfüllt und gewärmt, ihm und der gesamten Menschheit Erlösung verheißen und seiner Existenz neuen Sinn verliehen hatte. Doch es war nichts mehr da. Sein Bewusstsein war wie ein verlassener Tunnel der Metro, dessen vollkommene Leere nur deshalb nicht zu sehen war, weil dort Dunkelheit herrschte, absolute Dunkelheit. Und Artjom wusste, ja er spürte es in aller Schärfe: Nie mehr würde dort ein Licht aufflackern, das ihm den Weg durch das Leben wies.
    »Tolle Grillparty, was? So läuft das eben, wenn einer Ärger macht!« Ulman rieb sich die Hände. »Stimmt's, Artjom? He, Artjom!«
    Der ganze Botanische Garten und die WDNCh hatten sich in ein Feuermeer verwandelt. Riesige Schwaden fetten, schwarzen Rauchs stiegen träge in den Herbsthimmel auf, und der glutrote Feuerschein vermischte sich mit den sanften Strahlen der aufgehenden Sonne.
    Artjom wurde es unerträglich eng, er glaubte zu ersticken. Er riss sich die Gasmaske vom Gesicht und sog tief die bittere, kalte Luft ein. Dann wischte er sich die Tränen ab und begann, ohne auf die Rufe der anderen zu achten, die Treppe hinabzulaufen.
    Er kehrte zur Metro zurück.
    Nach Hause.
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