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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen
Autoren: Amber Kizer
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Bedienung schenkte Tee ein.
    »Ja, das war die gebundene Gemüsesuppe«, sagte Tens. Dann zeigte er auf die leuchtenden Glaskugeln. »Es liegt eindeutig an dir.«
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Noch ein Geheimnis. Noch etwas, das ich nicht über Fenestrae wusste.
    Das hatte ich beinahe befürchtet.

[home]
    Kapitel 2
    Juliet
    P ssst. Juliet? Komm schnell.« Bodies Gesicht lugte hinter der Ecke der antiken Anrichte hervor, so dass ich ihn aus dem Augenwinkel bemerkte. Zweck der Aktion war, von der Küche aus nicht gesehen zu werden und sich vor der Heimleiterin des Dunklebarger-Sanatoriums zu verstecken, die mir gerade die Litanei meiner heutigen Pflichten herunterbetete. Die meisten Menschen hätten drei Tage gebraucht, um sie abzuarbeiten. Bodie hatte genauso wenig Lust, die Aufmerksamkeit der Heimleiterin zu erregen, wie ich. Das hatte nämlich meist üble Folgen.
    Als sie am Ende ihrer Aufzählung angelangt war, wischte ich mir die Hände an der Schürze ab und schaltete die Herdplatte unter dem Suppentopf auf eine kleinere Stufe. Unser Mittagessen bestand jeden zweiten Tag aus Fertig-Tomatensuppe aus der Tüte und überbackenem Käse.
    »Wo willst du hin?«, zischte sie mit ihrem nasalen Akzent.
    »Ich habe einen Patienten läuten gehört.« Wer war wohl gerade im Dschungelzimmer? Schon vor zehn Jahren hatte ich gelernt, dass eine ruhige Stimme und eine klare Antwort die ungefährlichste, also am wenigsten schmerzhafte Reaktion bei ihr auslösten. Sie war nämlich notorisch unberechenbar, weshalb ich ihr sagte, was sie hören wollte, damit ich mich aus dem Staub machen und Bodies Anliegen in Erfahrung bringen konnte.
    »Ich nicht. Wie konntest du etwas hören, wenn ich nichts gehört habe?« Und so fragte sie immer weiter. Sie konnte einem ein Loch in den Bauch fragen. Wenn sie sich nur auch einmal die Antworten angehört hätte.
    Ich erwiderte nichts, sondern verließ einfach die Küche und ging den zugigen Flur entlang. Nur weit weg, damit Bodie der Heimleiterin nicht in die Hände fiel. Außerdem waren bewegliche Ziele nicht so leicht zu treffen. Tatsächlich und im übertragenen Sinne.
    Bodie rannte auf stämmigen Beinen durch den Kaninchenbau aus muffigen Fluren im rückwärtigen Teil des Hauses und eine düstere Treppe hinauf, die vor vielen Generationen sicher sogar die Dienstboten gemieden hatten. »Los«, trieb er mich mit dem drängenden Flüstern an, das wir alle perfekt beherrschten. »Beeil dich.« Wir huschten durch dieses Gemäuer wie Gespenster. »Sie sitzt bei Mrs. Mahoney.«
    Mit
sie
war in diesem Fall die Katze gemeint. Mini. Ebenfalls Gefangene und erst seit kurzem bei uns. Nicole hatte sich im Internet zum Thema Katzen kundig gemacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei Mini um ein ungewöhnlich großes Exemplar der Rasse Maine Coon handelte. Sie hatte ein langes, flauschiges Fell, das toupiert wirkte wie das Haar eines Rockstars aus den Achtzigern. Ihr Auftreten war ziemlich selbstbewusst und fordernd, und sie erweckte den Eindruck, dass ein durchschnittlich großer Hund keine Chance gegen sie hätte.
    Seit wann war Mini im Dunklebarger? An meiner Seite? Wann war mir zum ersten Mal aufgefallen, dass sie sich neben Sterbende setzte, noch ehe diese wussten, dass ihr Tod unmittelbar bevorstand? Diese kaum noch von Leben erfüllten Körper, die wirkten, als befänden sich ihre Seelen schon mit mehr als einem Fuß im Jenseits? Keine Ahnung. Es bestand eindeutig ein Einschnitt zwischen meinem Leben vor und dem nach Mini. Aber wann war das gewesen? Ich konnte mich nicht erinnern. Es musste etwa vierzehn Monate her sein, dass sie an den Sterbebetten erschienen war.
    Durch sie war meine Welt heller geworden.
    Ich hastete, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf und überholte den rennenden Bodie, der mit seinen sechs Jahren an der Schwelle zwischen Baby und Kind war und kurze, pummelige Beinchen hatte.
    »Wann hast du es bemerkt?«, fragte ich ihn.
    »Gerade eben. Dann bin ich dich holen gegangen, wie du es gesagt hast.« Er blieb auf der Schwelle von Mrs. Mahoneys Zimmer stehen. Sein Kinn zitterte. »Das habe ich richtig gemacht, oder, Juliet?«
    Ich kehrte ihm den Rücken zu und schloss die Augen, um die Tränen zurückzudrängen, die sein Tonfall in mir auslöste. Er sollte nicht sehen, wie weh mir sein Schmerz und seine Unsicherheit taten. Dann drehte ich mich zu ihm um, ging in die Knie und beugte mich aus der Taille vor, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. »Das
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