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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen
Autoren: Amber Kizer
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gehörten. Ich fragte sie nie, woher sie sie hatte.
    »Mit Bodie alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Der putzt noch immer die Klos. Ich habe Sema beauftragt, Schmiere zu stehen, und ihm ein Malbuch unter den Heizkörper gelegt.« Wir spielten heimlich, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab. Das Lügen bereitete mir nicht die geringsten Gewissensbisse. Ich kannte nämlich keinen anderen Weg, um zu überleben.
    »Lass dich nur nicht von der Heimleiterin erwischen. Sie macht uns das Leben sonst noch mehr zur Hölle«, warnte ich.
    »Ich weiß, ich weiß.« Schicksalsergeben breitete Nicole die Hände aus. »Warum verdrückst du dich nicht für eine Weile? Erhol dich. Ich rufe den Bestatter an.«
    Sie blieb nicht lange genug, um zu sehen, dass ich den Kopf schüttelte. Die Liste war zu lang, als dass ich mich hätte ausruhen können. Außerdem hatte ich den Geschmack von Sahne im Mund und spürte, wie mir glitschige Eiernudeln in den Magen rutschten und ihn angenehm füllten. Ich musste in die Küche.

[home]
    Kapitel 3
    J e näher ich den Glaskugeln kam, die über unseren Köpfen baumelten, desto kräftiger wurde das Leuchten. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Keine Ahnung. Buch?«, fragte Tens, womit er auf das seit Generationen weitervererbte Tagebuch anspielte, das meine Tante uns hinterlassen hatte. »Wieder eine Unbekannte?«
    »Ich hasse das.«
    »Das weiß ich. Aber vielleicht steht in dem Buch ja etwas darüber.« Offenbar war er aufrichtig bemüht, besagte Unbekannte für mich aus dem Weg zu räumen.
    Wir hatten uns eine Kurzsprache angewöhnt, die Tens’ Liebe zu knappen Sätzen und meinem Wunsch nach vollständigen Antworten Rechnung trug. Sein Hang zur Schweigsamkeit frustrierte mich schrecklich, wenn ich seine Gedanken nicht lesen konnte. Dass er manchmal genau zu wissen schien, was ich empfand, kam nur gelegentlich vor. Seine Fähigkeit erstreckte sich nicht aufs vollständige Gedankenlesen. Er war auch nicht in der Lage, seine Gedanken in meinen Kopf zu übertragen. Wir beherrschten die Kunst der Telepathie nicht. Meistens waren wir auf Wörter angewiesen. Und die zu finden fiel mir immer schwerer.
    Ich biss mir auf die Lippe und kramte in meinem Gedächtnis nach Passagen im Fenestra-Buch meiner Tante, die von Glaskugeln handelten. »Ich glaube nicht. Ich habe nichts dergleichen gelesen.«
    Natürlich gab es im Buch meiner Tante viele Seiten, die ich noch nicht studiert hatte. Pergamentpapier, bedeckt mit einer verblassenden Krakelschrift, und von oben bis unten ohne jegliche Struktur vollgeschriebene Seiten machten das Lesen der Einträge zu einer langwierigen und ermüdenden Angelegenheit. Außerdem litt ich an Reisekrankheit, so dass Lesen im Auto ohnehin nicht in Frage kam.
    Tens wies mit dem Kopf auf die alten Damen hinter mir. »Sie nennen sie Hexenkugeln. ›Ein ausgezeichnetes Geschenk zur Wohnungseinweihung. Hergestellt von einem hiesigen Glasbläser. Gute Energien, Segenswünsche …‹«, zitierte er in einem gewagt geraunten Falsett das, was er mitgehört hatte.
    »Wie schmeckt die Suppe?« Die Frau, die uns begrüßt hatte, ging von Tisch zu Tisch, als handle es sich bei den Gästen um alte Freunde, die auf einen Besuch hereingeschneit waren. An dem Gänseblümchen aus Seide, das sie angesteckt hatte, glitzerten rosa- und orangefarbene Kristalle. Dazu hatte sie einen breitkrempigen rosafarbenen Hut aufgesetzt, um ihn den Gästen vorzuführen. »Ist noch Platz für den Kuchen?«, erkundigte sie sich.
    Tens erwiderte ihr Lächeln, was mich wunderte, weil er es, so wundervoll es auch sein mochte, nur selten mit anderen teilte. »Aber klar doch.«
    »Ich bin Joi. Mir gehört dieses Lokal.« Sie streckte mir die Hand hin.
    »Meridian.« Ich schüttelte sie. Sie hielt meine Hand ein wenig zu lange fest, während ich mit dem Kopf über den Tisch wies. »Und er heißt Tens.«
    »Der grüne Schal hat Ihnen ausgezeichnet gestanden.« Sie wandte sich an Tens. »Freundin oder Schwester?« Sie deutete mit dem Daumen auf mich.
    Er lief rot an, antwortete aber trotzdem. »Die Liebe meines Lebens.«
    Anders, als die meisten es vermutlich getan hätten, lachte sie nicht. »Bewundernswert.« Dann nickte sie in meine Richtung. »Und bei Ihnen?«
    »Ebenfalls.«
    »Schön, das zu hören. Guten Appetit noch.« Sie ging weiter zum nächsten Tisch, plauderte mit den Gästen, als seien sie jeden Tag hier, und erkundigte sich nach Enkeln, Hochzeiten und Beerdigungen.
    Ich warf einen Blick auf Tens. Da ich den
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