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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd
Autoren: Stephen King
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Shows, nur ein billiger Tages-Teaser. Tretmühle zum Zaster. Für diese Sendung wurden nur chronisch Herz-, Leber- oder Lungenkranke angenommen und ab und zu mal, zur Auflockerung, ein Krüppel. Für jede Minute, die der Kandidat auf der Tretmühle durchhielt (wobei er sich ständig mit dem Moderator unterhalten musste), erhielt er zehn Dollar. Alle zwei Minuten stellte der Quizmaster ihm eine Bonusfrage aus seinem Fachgebiet; dabei konnte der Kandidat jeweils fünfzig Dollar gewinnen. Der Mann, der gerade an der Reihe war, ein Patient mit Herzrhythmusstörungen aus Hackensack, war ein Ass in amerikanischer Geschichte. Wenn der keuchende, erschöpfte Mann, dessen Herz fantastische akrobatische Sprünge in seiner Brust absolvierte, die Frage nicht richtig beantwortete, würde man ihm fünfzig Dollar von seinem bisherigen Gewinn abziehen und die Geschwindigkeit der Tretmühle erhöhen.
    »Wir werden schon zurechtkommen, Ben. Wirklich, wir werden es schon schaffen. Ich … ich werde …«
    »Du wirst was?« Er starrte sie wütend an. »Wieder auf den Strich gehen? Nein, das nicht mehr, Sheila. Sie muss einen richtigen Arzt haben. Nicht so eine Hebamme aus der Nachbarschaft mit dreckigen Händen und Whiskeyfahne. Moderne Geräte und alles. Dafür werde ich sorgen.«
    Er ging nervös in der Küche auf und ab. Seine Augen wanderten wie hypnotisch angezogen zum Bildschirm hinüber, der über der Spüle in die abblätternde Wand eingelassen war. Er nahm seine billige Jeansjacke vom Haken und zog sie energisch über.
    »Nein! Nein, das … das lasse ich nicht zu! Du wirst dich nicht …«
    »Warum nicht? Schlimmstenfalls kriegst du ein paar Altdollar als Beihilfe für einen vaterlosen Haushalt. So oder so, du wirst in jedem Fall genug Geld haben, um sie durchzubringen.«
    Sie war nie eine wirklich hübsche Frau gewesen, und die Jahre, in denen ihr Mann arbeitslos gewesen war, hatten tiefe Falten in ihr Gesicht gegraben, aber in diesem Augenblick war sie wunderschön … herrschaftlich. »Ich werde es nicht annehmen. Lieber verkaufe ich dem Typ von der Regierung, wenn er an die Tür klopft, eine Zwei-Dollar-Nummer und schicke ihn dann mit seinem dreckigen Blutgeld in der Tasche wieder nach Hause. Soll ich etwa eine Kopfgeldprämie für meinen Mann annehmen?«
    Er fuhr zu ihr herum, grimmig, wild entschlossen, als klammerte er sich an etwas, was ihn zum Außenseiter machte. Ein unsichtbares Etwas, auf das das Network schonungslos zählte. Er war nicht zeitgemäß. Ein Dinosaurier. Kein großer zwar, aber trotzdem ein Relikt aus der Vorzeit, ein öffentliches Ärgernis. Vielleicht sogar eine Gefahr. Große Wolken kondensieren um kleine Partikel.
    Er deutete zum Schlafzimmer hinüber. »Wie wäre es, sie in einem anonymen Armengrab? Gefällt dir die Vorstellung?«
    Seine Worte zerfetzten ihre Einwände, alles was ihr blieb war blinde Trauer. Ihre herrschaftliche Miene zerbrach und löste sich in Tränen auf.
    »Ben, das ist doch genau das, was sie wollen, von Leuten wie uns, wie dir …«
    »Vielleicht nehmen sie mich gar nicht«, sagte er und öffnete die Tür. »Kann ja sein, dass ich das, was immer sie suchen, gar nicht habe.«
    »Wenn du jetzt gehst, werden sie dich töten. Und ich muss hier sitzen und dabei zusehen. Willst du wirklich, dass ich mir das ansehe, während sie nebenan im Bett liegt?« Sie war kaum zu verstehen, so stark schluchzte sie.
    »Ich will, dass sie lebt.« Er versuchte, die Tür hinter sich zuzuziehen, aber sie drängte sich dazwischen.
    »Dann gib mir einen Kuss, bevor du gehst.«
    Er küsste sie. Am anderen Ende des Flures öffnete Mrs. Jenner ihre Wohnungstür und spähte auf den Gang. Köstliche Duftschwaden von Corned Beef und Kohl zogen an ihnen vorüber, verlockend, aufreizend. Mrs. Jenner ging es nicht schlecht – sie half im benachbarten Drugstore aus und hatte einen fast unfehlbaren Blick für Leute mit gefälschten Papieren.
    »Nimmst du das Geld an?«, fragte Richards. »Wirst du keine Dummheiten machen?«
    »Ich nehme es«, flüsterte sie zurück. »Du weißt, dass ich es nehmen werde.«
    Er umarmte sie unbeholfen, wandte sich hastig und zielstrebig um und polterte die steile, miserabel beleuchtete Treppe nach unten.
    Sie stand, von lautlosen Schluchzern geschüttelt, in der Tür und wartete, bis sie die Haustür fünf Stockwerke tiefer mit hohlem Klang ins Schloss fallen hörte. Dann hob sie die Schürze vors Gesicht. Sie umklammerte immer noch das Thermometer, mit dem sie das Fieber des
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