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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Autoren: Håkan Nesser
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im Schoß gelegen hätte, das war ihm nur zu klar. Wie verdammt zufällig sich das Leben auch gestalten mochte, war es trotz allem klar, dass ein fünfzehnjähriger TV-EISHOCKEYSPIELER natürlich tausendmal besser war als ein … ja, was eigentlich? Teigklumpen? Mega-Looser? Eine Null, ein Langweiler, ein Nichts? Bitte schön, man brauchte es sich nur aussuchen.
    Er zuckte zusammen und sah, dass seine Mutter in der Türöffnung stand.
    »Wir fahren jetzt einkaufen. Vielleicht könntest du langsam aufstehen und frühstücken, dann können wir miteinander reden, wenn wir zurück sind.«
    »Ja, natürlich«, sagte er. Es war geplant, dass es keck und entgegenkommend klingen sollte, doch das Geräusch, das da aus seiner Kehle drang, erinnerte eher an den Ton eines winzig kleinen Tieres, das einem Rasenmäher ins Gehege kommt.
    »Vielleicht sollten wir erst einmal klären, um was es in unserem Gespräch geht?«
    »Es geht um mich«, sagte Kristoffer und versuchte, den stahlblauen Blick seiner Mutter mit seinem eigenen grüngesprenkelten zu erwidern. Aber er hatte nicht das Gefühl, dass ihm das besonders gut gelang.
    »Um dich, Kristoffer, ja«, sagte sie langsam und faltete die Hände vor sich auf dem Küchentisch. Sie waren nur zu zweit. Die Uhr zeigte halb zwölf. Vater Leif war unterwegs, noch einige Besorgungen machen. Henrik war nach seinem ersten anstrengenden Universitätssemester in Uppsala am gestrigen Abend spät nach Hause gekommen. Beide Türen waren geschlossen, die Geschirrspülmaschine brummte.
    »Bitte schön«, sagte sie.
    »Wir hatten eine Abmachung«, sagte Kristoffer. »Ich habe sie gebrochen.«
    »Ach ja?«
    »Ich sollte um zwölf Uhr zu Hause sein. Ich bin erst um zwei gekommen.«
    »Zehn Minuten nach.«
    »Zehn Minuten nach zwei.«
    Sie beugte sich ein wenig zu ihm vor. Wenn sie mich doch in den Arm nehmen könnte, dachte er. Jetzt schon. Doch er wusste, dass dies nicht geschehen würde, bevor nicht alles besprochen war. Und es war noch nicht alles besprochen. Noch lange nicht.
    »Ich mag nicht hier sitzen und Fragen stellen, Kristoffer. Gibt es sonst noch etwas, was du mir erzählen willst?«
    Er holte tief Luft. »Ich habe gelogen. Und zwar schon vorher.«
    »Das verstehe ich jetzt nicht.«
    »Ich hatte nie vor, zu Jonas zu gehen.«
    Sie zeigte ihre Verwunderung, indem sie eine Augenbraue zwei Millimeter anhob. Aber sie sagte nichts.
    »Ich hab doch gesagt, dass Jonas und ich bei ihm zu Hause einen Film angucken wollten, das war gelogen.«
    »Ach ja?«
    »Ich war bei den Zwillingen.«
    »Was für Zwillinge?«
    Warum unterbrichst du mich die ganze Zeit mit Fragen, wenn du keine Fragen stellen willst?, dachte er.
    »Bei Måns und Jens Pettersson.«
    »Ich verstehe. Und warum musstest du mich deshalb anlügen?«
    »Wenn ich das gesagt hätte, hättest du mich nicht gehen lassen.«
    »Warum hätte ich dich denn nicht gehen lassen sollen?«
    »Weil es nicht … weil das kein guter Ort ist für einen Samstagabend.«
    »Was sollte schlecht daran sein, an einem Samstagabend zu den Zwillingen Pettersson zu gehen?«
    »Na, die trinken öfter … wir haben auch getrunken. Wir waren zehn, fünfzehn Leute, und wir haben Bier getrunken und geraucht. Ich weiß nicht, warum ich dorthin gegangen bin, es war sinnlos.«
    Sie nickte, und er sah, dass er ihr große Sorgen bereitet hatte. »Das verstehe ich jetzt nicht. Warum bist du dann dorthin gegangen? Du musst doch einen Grund dafür gehabt haben?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Weißt du nicht, warum du etwas tust, Kristoffer? Das klingt aber nicht gut.« Jetzt sah sie besorgt aus, geradewegs bekümmert. Nimm mich in die Arme, verdammt noch mal, dachte er. Ich werde es dir doch nie recht machen können. Nimm mich in die Arme, und dann scheißen wir auf alles.
    »Ich wollte es nur mal ausprobieren … glaube ich.«
    »Was ausprobieren?«
    »Wie das ist.«
    »Was?«
    »Na, zu saufen und zu rauchen, verdammt noch mal! Nun hör endlich auf, siehst du nicht, dass ich nicht mehr kann …«
    Die Tränen und die Hoffnungslosigkeit überkamen ihn jäher und schneller, als er gedacht hatte, und in gewisser Weise war er dankbar dafür. Es war ein schönes Gefühl, aufzugeben. Er ließ sich über den Tisch fallen, das Gesicht im Ellbogen, und schluchzte. Aber sie bewegte sich nicht und sagte nichts. Nach einer oder vielleicht auch zwei Minuten war es vorüber, er stand auf, ging zum Spülbecken und holte sich einen halben Meter Küchenrolle. Putzte sich die Nase und kehrte an
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