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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Autoren: Håkan Nesser
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der Abschlussklasse, ganz elegant in Anzug), und er hatte ihren Widerstand in der gleichen Form geknackt, wie er ihre Einwände in ihrem gesamten gemeinsamen Leben knacken sollte. Als er um ihre Hand anhielt, war ihr erstes Nein in ein zweites Vielleicht, wir können das ja noch hinausschieben, bis wir wenigstens unsere Prüfung gemacht haben verwässert worden, bis hin zum letztendlichen Okay, aber wir müssen erst eine gemeinsame Wohnung finden. Sie hatten 1963 geheiratet, sie hatte den textilen Zweig des Seminars für häusliche Ausbildung im Juni 1965 abgeschlossen, und Ebba war ein halbes Jahr später zur Welt gekommen. Auch sie war nicht die Frucht eines Beschlusses gewesen, den Rosemarie gefasst hatte.
    Die Laufbahn der Handarbeitslehrerin hatte sie gewählt, nachdem ihre beste (und einzige) Freundin im Gymnasium, Bodil Rönn, sich bereits dafür entschieden gehabt hatte. Sie hatten die Prüfung gemeinsam durchgestanden, Bodil hatte eine feste Stelle in Boden in einer Schule bekommen, die weniger als fünfhundert Meter vom Elternhaus ihres Freundes Sune entfernt lag, und soweit Rosemarie wusste, wohnten die beiden immer noch dort. Sie hatten eineinhalb Jahre lang Kontakt miteinander gepflegt und sich Briefe geschrieben, doch die letzte Weihnachtskarte war inzwischen sieben oder acht Jahre alt.
    Kein einziger wichtiger Beschluss, dachte sie und schleppte das Voltanwunder über den Flur, um sich die Gästezimmer vorzunehmen. Oder die alten Kinderzimmer, wie immer man sie nun bezeichnen wollte. Ebbas Zimmer, Walters Zimmer und Kristinas enge Kammer, die eigentlich nicht viel größer war als eine Vorratskammer – aber es war ja auch nie geplant gewesen, dass es mehr als zwei Kinder werden sollten, und erst recht nicht, wenn man bedachte, dass bereits mit zwei Versuchen eines von jedem Geschlecht zustande gebracht worden war, aber dann war es halt doch anders gekommen. Das Leben nahm eben seinen Lauf, und das nicht immer nach Plan; Kristina war 1974 geboren worden, Rosemarie hatte zehn Monate zuvor auf Anraten ihres Gynäkologen die Pille abgesetzt gehabt, und wenn die katastrophale Griechenlandreise mit Familie Fläskbergson keine lichteren Erinnerungen hervorgebracht hatte, so zumindest eine nicht geplante Tochter. Karl-Erik hatte vergessen, Kondome zu kaufen, und es nicht rechtzeitig geschafft, sich zurückzuziehen. So war es nun einmal, shit happens auch in dieser besten aller Welten, genau wie in allen anderen. Was war das für eine Sprache, die ihre Gedanken an diesem nasskalten Dezembermorgen benutzten? God knows, holy cow, jedenfalls waren das Worte, die sie normalerweise nicht benutzte. Wie war eigentlich das Wetter? Besser, sich neutralen Dingen zu widmen. Bis jetzt war nicht einmal ein Zentimeter Schnee in diesem westschwedischen Landesteil gefallen, und wenn sie aus dem Fenster schaute, kam es ihr vor, als ob sogar das Tageslicht aufgab und das Handtuch warf. Die Luft sah aus wie Haferschleim.
    Erst als sie den langen Flurläufer zusammengerollt hatte und die Fußbodenleisten ohne den Aufsatz absaugte, fiel ihr ein entscheidender Beschluss ein. Verdammt noch mal.
     
    Sein Name war Göran gewesen, er hatte Sandalen ohne Strümpfe getragen und als Vertretung während des Herbsthalbjahres gearbeitet. Es war ihr drittes Jahr an der Schule gewesen, fünf Jahre nach Kristinas Geburt, sie konnte es einfach nicht in ihren Schädel bekommen, dass dieser bärtige Charmebolzen ausgerechnet eine 36-jährige Mutter dreier Kinder brauchte, und folglich sagte sie Nein. Und dieses Nein war offenbar die wichtigste Entscheidung ihres Lebens gewesen. Einen frisch geschiedenen, geilen Referendar mit breiten Schultern abweisen.
    Es geschah während einer Fortbildungsfahrt mit dem Schiff nach Finnland, die pädagogische Fichte war zum dritten Mal in seinem Leben krank gewesen (wenn man den angeborenen Nabelbruch nicht mitzählte), der Referendar hatte in ihrer Kajüte die halbe Nacht gesessen und sie angehimmelt. Gebettelt und gefleht. Hatte ihr zollfreien Wodka mit Preiselbeersaft angeboten. Doch nein. Hatte ihr zollfreien Moltebeerlikör angeboten. Aber nein.
    Sie fragte sich, was wohl aus ihm geworden war; er hatte braungebrannte Zehen mit kleinen, interessanten Haarbüschelchen darauf gehabt, und er war eine Gelegenheit gewesen, ihr Leben zu verändern – die sie jedoch aus den Händen hatte gleiten lassen. Was vielleicht auch nur gut so war. Ein einziger Mann hatte sich Zugang zu ihrem inzwischen ausgetrockneten und
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