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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Autoren: Håkan Nesser
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Urbanisation zu ziehen natürlich. Das hat so etwas … ja, Panikartiges. Wie schon gesagt. Nein, weiter links.«
    Er klapperte mit Tassen und Dosen. »Ur-ba-ni-sa-ción«, artikulierte er mit deutlich hörbarem spanischem Phonem. »Ich weiß, dass du so deine Zweifel hast, aber eines Tages wirst du mir noch danken.«
    »Woran ich zweifle«, erklärte Rosemarie Wunderlich Hermansson. »Daran zweifle ich bis in den kleinen Zeh. Du musst dir die Nasenhaare schneiden.«
    »Rosemarie«, sagte Karl-Erik und schob den Brustkorb vor. »Ich kann den Leuten hier nicht mehr in die Augen sehen. Ein Mann muss aufrecht gehen und den Kopf oben tragen können.«
    »Man muss sich auch mal beugen können«, konterte sie. »Das hier geht vorbei. Die Leute vergessen schnell, und alles bekommt seine angemessenen Prop …«
    Er unterbrach sie, indem er seine neue Teedose mit einem Knall auf die Arbeitsplatte stellte. »Ich denke, wir haben lange genug darüber diskutiert. Lundgren hat zugesagt, dass wir die Papiere Mittwoch unterschreiben können. Ich bin fertig mit dieser Stadt. Basta. Es ist doch nur Feigheit und Trägheit, die uns hier noch halten.«
    »Wir haben hier achtunddreißig Jahre gewohnt«, sagte Rosemarie.
    »Lange genug«, sagte Karl-Erik. »Hast du schon zwei Tassen Kaffee getrunken? Denk dran, ich habe dich gewarnt.«
    »An einen Ort zu ziehen, der nicht einmal einen richtigen Namen hat. Ich finde, er sollte zumindest einen Namen haben.«
    »Den wird er schon kriegen, sobald sich die spanischen Behörden entschieden haben. Was ist denn so schlecht an Estepona?«
    »Nach Estepona sind es sieben Kilometer. Und vier Kilometer bis zum Meer.«
    Er erwiderte nichts. Goss kochendes Wasser über seine gesunden grünen Teeblätter und holte das Sonnenblumenbrot aus dem Brotkasten. Sie seufzte. Sie diskutierten ihre Frühstücksgewohnheiten seit fünfundzwanzig Jahren. Sie diskutierten den Hausverkauf und den Umzug nach Spanien seit fünfundzwanzig Tagen. Obwohl Diskussion dafür wohl kaum der richtige Begriff ist, dachte Rosemarie. Karl-Erik hatte einen Beschluss gefasst und anschließend seine gut geschmierte demokratische Gesinnung dazu benutzt, sie auf seine Seite zu ziehen. So hatte es jedes Mal ausgesehen. Er gab nie auf. Bei jeder Frage, die von einem gewissen Gewicht war, hatte er geredet, geredet und geredet, bis sie aus reiner Erschöpfung und aus reinem Überdruss das Handtuch warf. Die reinste Filibustertaktik. Das war beim Autokauf so gewesen. Das war bei den sauteuren Bücherregalen in ihrem gemeinsamen Arbeitszimmer so gewesen – das er gern als ihr gemeinsames Arbeitszimmer bezeichnete, er verbrachte darin vierzig Stunden die Woche, sie vier. Das war bei ihren Urlaubsreisen nach Island, nach Weißrussland und ins Ruhrgebiet so gewesen, denn wenn man Fachbereichsleiter für Gemeinschaftskunde und Geographie war, dann hatte man so seine Verpflichtungen.
    Und er hatte bereits das Handgeld für dieses Haus zwischen Estepona und Fuengirola bezahlt, ohne sie zu fragen. Hatte die Verhandlungen mit Lundgren von der Bank über den Verkauf des Hauses eingeleitet, ohne zunächst den demokratischen Prozess daheim in Gang zu setzen. Das konnte er nicht leugnen und leugnete es auch gar nicht.
    Aber vielleicht sollte sie ihm sogar dankbar sein. Ehrlich gesagt. Es hätte genauso gut Lahti oder Wuppertal sein können. Ich habe mit diesem Mann mein gesamtes erwachsenes Leben verbracht, dachte sie plötzlich. Ich dachte, etwas würde mit der Zeit reifen zwischen uns, aber dem war nicht so. Von Anfang an war da etwas Schimmliges zwischen uns, und mit jedem Jahr, das verging, wurde es schimmliger.
    Und warum war sie so unverbesserlich unselbstständig, dass sie ihr Leben mit ihm vergeuden musste? Ein höchstes Zeichen von Schwäche, oder etwa nicht?
    »Woran denkst du?«, fragte er.
    »An nichts«, antwortete sie.
    »In einem halben Jahr haben wir alles hier vergessen«, sagte er.
    »Was? Unser Leben? Unsere Kinder?«
    »Red keinen Quatsch. Du weißt, was ich meine.«
    »Nein, das tue ich nicht. Und übrigens, wäre es nicht besser, wenn Ebba und Leif ins Hotel gingen? Schließlich sind es vier Erwachsene, das wird bestimmt eng.«
    Er zwinkerte ihr zu, als wäre sie eine Schülerin, die die dritte Stunde nacheinander vergessen hat, eine Arbeit abzuliefern, und sie wusste, dass sie das nur vorgeschlagen hatte, um ihn zu reizen. Denn natürlich hatte sie Recht damit, dass Ebba, Leif und ihre beiden Teenagersöhne mehr Platz beanspruchen
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