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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Autoren: Håkan Nesser
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kaum Fläskbergson, es formuliert hatte, war die Verabschiedung auf eine verlängerte Konferenz mit Kuchen reduziert worden, der entsprechenden Anzahl roter Rosen sowie einem Punschservice aus gehämmertem Kupfer – wobei Rosemarie sich bereits, als sie das Paket öffnete und einen ersten Blick darauf geworfen hatte, fragte, ob es nicht Elonsssons hoffnungslose Achte gewesen war, die man dazu gezwungen hatte, beim Metallwerken dieses Zeug zusammenzuhämmern, um die Note »Ungenügend« zu vermeiden. Elonsson hatte im Gegensatz zu Fläskbergson einen ausgeprägten Sinn für das Ironische im Leben.
    Fünfundsechzig plus vierzig. Das war die zweite große Addition im Dezember, und es ergab hundertfünf. Rosemarie wusste, dass es Karl-Erik grämte, dass nicht exakt hundert dabei herauskam, aber an den Tatsachen war nicht zu rütteln. Karl-Erik rüttelte sowieso nie an den Tatsachen. Sie streckte zögerlich ein paar Mal ihren Rücken, ohne vom Stuhl aufzustehen, und dachte zurück an die Nacht vor vierzig Jahren, als es ihr gelungen war, zwei Presswehen zurückzuhalten, bis die Uhr die Zwölf überschritten hatte. Karl-Eriks nur schlecht getarntes Glück war nicht zu übersehen gewesen, Gott sei Dank. Die erstgeborene Tochter war an seinem eigenen fünfundzwanzigsten Geburtstag aus dem Mutterleib in die Welt hinausgekrabbelt. Es hatte immer ein außerordentlich starkes Band zwischen Ebba und Karl-Erik gegeben, und Rosemarie war klar, dass es bereits damals geknüpft worden war. Bereits damals, im Örebro-Krankenhaus, vier Minuten nach Mitternacht, am 20. Dezember 1965. Die Hebamme hieß Geraldine Tulpin, ein Name, den man nur schwer vergessen konnte.
    Die Weihnachtsfeiern in der Familie wiesen immer eine gewisse Schieflage auf. Rosemarie hatte nie darüber gesprochen, nicht einmal – aber diese Schieflage bestand. Normale Menschen, Christen wie Nichtchristen, sahen den 24. Dezember als die Nabe an, um die sich die Winterdunkelheit drehte, aber in der Familie Wunderlich Hermansson hatte der 20. mindestens ebensoviel Bedeutung. Karl-Eriks und Ebbas Geburtstag, der folgende Tag war der kürzeste im Jahr, das Herz der Finsternis, und auf irgendeine sonderbare Art und Weise war es Karl-Erik gelungen – ohne an den Tatsachen zu rütteln, aber viel fehlte nicht daran -, eine Verschiebung um einen Tag zustande zu bringen, so dass man eine Art Dreifaltigkeit hinbekam. Sein eigener Geburtstag. Ebbas Geburtstag. Die Rückkehr des Lichts auf die Erde.
    Ebba war immer der Augenstern ihres Vaters und das Hätschelkind gewesen, an sie hatte er von Anfang an die größten Hoffnungen geknüpft. Hatte sich nie auch nur die Mühe gemacht, diese Tatsache zu verbergen, gewisse Kinder haben mehr Karat als andere, so geht es nun einmal im genetischen Schmelztiegel der Biologie zu, so hatte er bei irgendeiner Gelegenheit einmal erklärt, als er sich ganz gegen seine Gewohnheit einen Cognac zu viel gegönnt hatte. Ob man nun will oder nicht. Und wie es im Nachhinein aussah, dachte Rosemarie verbittert und ohne sich etwas vorzumachen – während sie sich eine zweite Tasse Kaffee einschenkte, ein verlässlicher Eckstein in dem nur langsam sich entwickelnden Projekt des Wachwerdens -, so schien er zweifellos auf das richtige Pferd gesetzt zu haben.
    Ebba war ein Fels in der Brandung. Walter war schon immer das schwarze Schaf gewesen, und jetzt hatte er sich unbeschreiblich verhalten – wobei das möglicherweise viel weniger überraschend war, als alle taten. Und Kristina? Ja, über Kristina konnte man eigentlich nur sagen, dass sie so war, wie sie war, das Kind war in letzter Zeit ein wenig zur Ruhe gekommen, die letzten Jahre waren in einem deutlich ruhigeren Fahrwasser verlaufen als die vorhergehenden, auch wenn Karl-Erik beharrlich betonte, dass es noch zu früh war, um laut Hurra zu schreien, ganz eindeutig zu früh.
    Wann hast du jemals Hurra geschrien, mein Holzprinz?, hatte Rosemarie jedes Mal gedacht, wenn er das sagte, und jetzt in ihrer Küche, in der die Dämmerung auf sich warten ließ, dachte sie wieder das Gleiche.
    Genau in diesem Moment betrat er die Küche.
    »Guten Morgen«, sagte er. »Ist schon komisch. Trotz allem habe ich geschlafen wie ein Kind.«
    »Ich finde, es hat einen Anschein von Panik«, sagte sie.
    »Wie meinst du das?«, fragte Karl-Erik Hermansson und schaltete den Wasserkocher ein. »Wohin hast du meinen neuen Tee gestellt?«
    »Zweites Regal«, antwortete Rosemarie. »Nun, das Haus zu verkaufen und in diese
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