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Melli - einmal blinzeln und von vorn

Melli - einmal blinzeln und von vorn

Titel: Melli - einmal blinzeln und von vorn
Autoren: Stefanie Doerr
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feierten nur im engen Familien- und Freundeskreis, nichts Großes also. Onkel Christofs und Tante Kiras Garten war ja auch nicht gerade ein Schlosspark, aber auf ein angemessenes Kleid hatte Melli dann doch bestanden. Wenn sie schon diese doofe Hochzeit ertragen musste, dann wollte sie wenigstens etwas davon haben. Wochenlang hatten Melli und Pia nach dem passenden Outfit gesucht. Im Internet und in ihren Lieblingsläden in der Stadt. Lora hatte sich zwar die ganze Zeit über sie lustig gemacht, aber das war ihnen egal gewesen. Melli fühlte sich in ihrem lindgrünen Irgendwas jedenfalls sehr erwachsen. Ihre Finger glitten über den Stoff. Schade, dass sie es an so einem mistigen Tag tragen musste. Die reinste Verschwendung! Das verdiente ihr Kleid nicht.
    Â»Fototermin«, rief wie auf das Stichwort eine fröhliche Stimme und Melli verdrehte die Augen. »Ich habe noch nicht einmal mit der Vorspeise angefangen und schon wieder heißt es: bitte Dauerlächeln« , flüsterte sie Lora zu und warf einen wehmütigen Blick auf ihren überladenen Teller. »Das gibt bestimmt einen schlimmen Muskelkater im Gesicht und meine Lippen fühlen sich schon ganz rissig an, als würde ich vom Zahnarzt kommen.«
    Wortlos hielt ihr Pia ein rosafarbenes Lipgloss entgegen. »Wir müssen glücklich aussehen«, erklärte sie. »Das gehört sich für Hochzeitsfotos und außerdem wäre Pam furchtbar enttäuscht, wenn wir die Fotos vermasseln, oder?«
    Â»Ich verstecke mich hinter euch, ja?«, sagte Lora, schob sich hinter Melli und Pia und drückte ihr frech grinsendes Gesicht zwischen die beiden. »So kann auch das schlimmste Kleid kein Foto vermiesen.«
    Â»Stellt euch mal nebeneinander ... uuuund lächeln, ihr habt Spaß, ja? Lora, zeig dich!«, rief der Fotograf und lotste sie zum Blumenbeet, in dem sich die ersten Knospen öffneten.
    Â»Geht leider nicht«, kicherte Lora zurück, »ich habe einen Fleck auf dem Kleid und sehe aus wie eine Barbarin.«
    Â»Dann halt ohne Kleid«, lachte der Fotograf und irgendwie bekam er es hin, dass die drei sich vor seiner Kamera in die unmöglichsten Posen warfen und sich schließlich vor Lachen die Seiten hielten.
    Â»Schluss, ich kann nicht mehr«, stöhnte er schließlich. »Das werden bestimmt die bemerkenswertesten Hochzeitsfotos meiner Laufbahn. Ich brauche jetzt ein paar romantische Küsse vom Brautpaar, sonst verliere ich den Glauben an die Welt.«
    Mellis eben noch glänzende Laune war sofort hinüber, als sie beobachtete, wie mit Pam und Adrian ein Kussfoto nach dem anderen entstand. Als Melli auf die Uhr blickte, erreichte ihre Stimmung den Nullpunkt. Bald würde ihre Mutter auf Hochzeitsreise gehen. Das Taxi zum Flughafen kam schon in zwei Stunden, dann war Pam weg. Mit Adrian. Melli schluckte. Zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie drei Wochen ohne ihre Mutter verbringen. Und drei Wochen konnten ganz schön lang sein, wenn man auf etwas wartete und allein war. Auch wenn sie bei ihren Cousinen und Lieblingsfreundinnen wohnen würde. Eine dreiwöchige Übernachtungsparty sozusagen. Aber noch schlimmer war, dass Adrian seiner Frau die USA zeigen wollte. Zumindest einen winzig kleinen Teil davon – den Teil, in dem auch sein Sohn aus erster Ehe lebte. Jason. Ihr Albtraum. Ihr zukünftiger Bruder.
    Â»Mann, ihr habt euch schlimmer aufgeführt als die zickigen Mädels bei diesem Topmodel-Quatsch«, maulte jemand hinter Melli und holte sie aus ihren düsteren »dieser Jason wird mein Bruder« –Gedanken. Sie fuhr herum. »Ach, da seid ihr ja endlich! Sag bloß, ihr habt uns heimlich beobachtet.«
    Â»Ja, genau so heimlich wie die Hälfte der Gesellschaft hier«, grinste Mario und Jacob nickte von oben herab bestätigend. Jacob behandelte jeden von oben herab, weil er im letzten halben Jahr unglaublich gewachsen war, dass er inzwischen selbst Pia um einen halben Kopf überragte. Sehr zu seinem Leidwesen, denn er spielte leidenschaftlich Fußball und ein großer Fußballer hatte es seiner Meinung nach viel schwerer als ein kleiner, quirliger. Jetzt wollte er unbedingt Torwart werden, da er glaubte, mit seiner Größe das Tor bis zum letzten Zentimeter ausfüllen zu können. Melli betrachtete die beiden vom Scheitel bis zur Sohle und brach dann in schallendes Gelächter aus. »Ihr solltet unbedingt auch auf die Fotos.
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