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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich
Autoren: Marlis Prinzing
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Widersprüche des Lebens kaum noch eine Rolle spielen« 12 .
    Evelyn Finger, Kulturredakteurin der Zeit , widerspricht. 13 Problem der evangelischen Kirchen seien nicht die Frauen, sondern all jene Personen, die entweder verstockt auftreten oder den Eindruck erwecken, man sei mehr ums Image besorgt als um die Inhalte. Die evangelische Kirche, so Fingers Diagnose, immunisiere sich oft gegen die großen Fragen, um ja nicht altmodisch zu klingen.
    Auch innerhalb des Protestantismus bestehen Bedürfnisse und Initiativen 14 , sich zu modernisieren, aber große Unterschiede über die Vorstellungen von der Zukunft. Bärbel Wartenberg-Potter, die letzte Bischöfin von Lübeck, zugleich in Deutschland die dritte in diesem Amt, machte nicht nur als Architektin der Fusion zur Nordkirche Schlagzeilen, die Lob, aber auch Kritik verhießen. Die in der feministischen Theologie verwurzelte Intellektuelle eckte vor allem durch ihren Einsatz für die Initiative »Bibel in gerechter Sprache« an. Ein Team aus Übersetzerinnen und Übersetzern legte 2006 nach jahrelanger Arbeit eine Version der Bibel vor, in der Gott übersetzt wird mit »ErSie«, »die Lebendige« oder »die Ewige«, in der Jüngerinnen und Apostelinnen auftauchen, Jesus als »geliebtes Kind« und der Heilige Geist als »heilige Geistkraft« bezeichnet wird, was so zumindest im Original nicht zu lesen ist. Kirchlich-konservative Christen in Nordelbien forderten den Rücktritt der Bischöfin. Deren Vorwürfe reichten bis hin zur Häresie und zum Verrat am Evangelium. Angriffe kamen auch aus anderer Ecke. Elisabeth Moltmann-Wendel, und damit eine der bekanntesten Vertreterinnen der feministischen Theologie, unterstellte, diese Übersetzung sei teilweise das Werk der Töchter von Nazi-Tätern, die die jüdische Seite von Jesus überbetonten, um die dunklen Seiten ihrer Familiengeschichte auszubügeln. 15 Die Interpretationen und Vorstellungen, wo und wie sich die evangelische Kirche verorten soll, könnten kaum weiter auseinandergehen.
    Der Norden Deutschlands hätte fast in noch anderer Weise Kirchengeschichte geschrieben. Durch die Pensionierungen von Wartenberg-Potter in Lübeck und von ihrem Kollegen Hans Christian Knuth in Schleswig umfasste der neue Schleswiger Sprengel ab Oktober 2008 mehr als eine Million Protestanten. Für die Bischofswahl im Juli 2008 standen zwei Kandidaten bereit: Der damals 51-jährige Propst Horst Gorski, der offen zu seiner homosexuellen Orientierung steht, und der 57-jährige Gerhard Ulrich. Für manchen Protestanten war Gorskis Kandidatur schlicht ein Verrat am Glauben. Wer homosexuell sei, solle keusch leben. Weltweit gab es bislang keinen bekennenden schwulen protestantischen Bischof. Sowohl Gegenkandidat Ulrich als auch Synodenpräsident Hans-Peter Strenge verteidigten Gorskis Kandidatur im Namen der Toleranz. Kritiker wiesen auf weitere mögliche Konflikte hin: ein noch gespannteres Verhältnis zu den Katholiken, eine Spaltung im lutherischen Weltbund, wo bereits als schier unerträglich galt, dass die beiden Bischöfinnen Wartenberg-Potter und Käßmann geschieden waren. Die Kirchenparlamentarier wählten nicht den intellektuellen Stadtmenschen Gorski, sondern den als bedächtig geltenden Seelsorger Ulrich; er erlangte 77 von 136 Stimmen, sein Gegenkandidat 56. Ulrich hängte im November 2011 dann Kirsten Fehrs das Bischofskreuz um.
    Verglichen mit der katholischen Kirche spielt im Protestantismus die Individualität eine weit größere Rolle. Dies ist auch im Priestertum aller Gläubigen begründet. Das kann durchaus heißen, dass der eine eher intellektuell, der andere eher emotional orientiert auftritt. Und das ist nicht zwingend eine Frage des Geschlechts.
    Man findet große Vielfalt und viele Sonderwege. Christian Wolff, Pfarrer an der Leipziger Thomaskirche und einer von jenen, die Friedrich Schorlemmer zu den Hoffnungsträgern für seine Kirche zählt, segnet beispielsweise homosexuelle Paare, obwohl es darüber unter den Protestanten keine Einigkeit gibt. Er wirbt nicht dafür, er mache es, wie er sagt, einfach, weil er von diesen Menschen darum gebeten werde.
    Aufgaben für Christenmenschen heute … –
    Es gibt viele Aufgaben, zu deren Bewältigung die Kirche beitragen könnte. In eigener Sache ebenso wie in globaler. Die eigene Sache meint nicht nur die eigene Konfession und allenfalls noch die Ökumene. Die Kirche müsste beispielsweise protestieren, wenn irgendwo auf dieser Welt Christen verfolgt werden, ob vom Staat
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