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Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Titel: Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)
Autoren: Uwe Steimle
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heute im Zeitalter der Globalisierung noch mit echtem, also wirklich hartem Geld?
Alles ist weich. Alle sind Global Player, fast alle. Ich habe da meine Probleme. Ich verstehe mich als Lokalakteur, Provinzknaller, Dialekt liebender Eigenbrötler, der die Fantasie zum Atmen braucht und sie nötig hat wie Übigau die Flutrinne, um beim Thema zu bleiben.
    »Und die Welt hebt an zu singen, triffst Du nur das Zauberwort«, ja, so heißt’s bei Eichendorff. Diesen Romantikerspruch hab’ ich mir ans Haus malen lassen, auf dass die Vorbeilaufenden ihren Kopf erheben zu dem Wort.
    Sie merken schon, ich schweife ab. In der Schule hätte am Rand gestanden: »Beim Thema bleiben.«
    Gott sei Dank sind wir nicht in der Schule. Die Gedanken sind frei, und wenn es denn nun synapsiert, muss ich mir auch Raum geben. Doch, … muss ich! Übrigens ist mir dieses Wörtlein geradewegs vom Hirn in die Feder gesprungen. »Synapsiert« – Was das heißt, meint oder gar bedeutet? Nun, ganz einfach: Laufen lassen, spielerisch die Welt, die Zeit, das Erinnern betrachten und der Fantasie Raum lassen, nichts erklären, ungeordnet es fügen, damit es ein Bild ergebe. Neugierig bleiben auf den eigenen Heiligen Geist. Das ist für mich Lebensquell männlichen (Entschuldigung: auch weiblichen) menschlichen Daseins, um mal hochtrabend meinen gedanklichen Jacobsweg zu skizzieren.
    Nichts fürchten die so genannten Mächtigen der Welt, die Verwalter der Gier, so sehr wie spielerischen Umgang des Geistes, Gier in seiner schönsten Form: Neugier.
    Was ist denn nun das Thema dieses Buches? Das 250-ste Buch über die Wende, meine Erinnerungen an den »Kehre«herbst? … »Herr Steimle, wie haben Sie das damals erlebt in der ehemaligen …?« … Gähn, gähn, gähn … »Vielleicht könnten wir ein Kolloquium machen mit Ihnen persönlich oder eine Art Workshop – wie der Franzose sagt.« »Herr, lass es vorübergehen!«
    Was bin ich froh, nur eigenem Antrieb folgen zu dürfen. Nein, bitte mir zu glauben, es ist keine Koketterie, mich »Diesem« verweigern dürfen zu können. Das Thema ist doch nicht biografisches Abhandeln meines Lebens, möglichst noch der Reihe nach, sondern . . .
    Nein, das verrate ich nicht, was ich bezwecken möchte. Die dümmste aller Fragen ist sowieso: »Was wollte der Dichter uns damit sagen?« Find’s raus, oder lass es bleiben!
    Nur langweilig sollte es nicht sein, das aufgeschriebene Wort der Erinnerung, die ja immer auch etwas mit der Gegenwart zu tun hat.
    Das Gehirn kennt keine Pause, nur der Geist darf im Schlaf die Welt neu sortieren. Komisch, im Traum ist alles logisch. Immer. Da stimmt die Welt. Und neulich nachts, es ging in meinem Traum um Biathlon – also schnell schießen, wegrennen – da ist es mir doch tatsächlich passiert, dass sich Hauff & Henkler in meinen Traum einschlichen. Ja, mit ihrem Erfolgstitel:
    »Das war ein Meisterschuss, wenn man auch sagen muss:
    Bei aller Jägerei, ein bisschen Glück ist immer dabei.«
    Jemand, der hier nicht gelebt hat, also in der ehemaligen  … so genannten … also der, die es mal gegeben hat, … ha’m soll … weiß in diesem Moment vielleicht gar nicht, von welchem Meisterschuss hier die Rede ist. Und das ist auch gut so. Unser Ziel könnte ohnehin sein, irgendwann so zu reden, dass uns gar niemand mehr versteht.
    Und damit meine ich vor allem unseren wunderbar weichen Weltstadtdialekt: feines Dresdner Sächsisch. Das gibt es nicht in Hongkong oder Schanghai, nicht in Bonn oder Berlin, das gibt es nur hier bei uns in Dresden. Dialekt ist Heimat, ist das Erste, was ich gelernt habe, noch vor Schuhe zubinden, also Schleifemachen, und vor Russisch, und vor allem – sehr wichtig – was ich ganz nebenbei, spielerisch und en passant, wie die Passanten sagen, gelernt habe.
    Leicht war er, der Dialekt, ist er, vor allem leicht. Alles, was schwerfällt, müsste sowieso verboten werden.
    Worte sterben aus, wenn sie nicht gesprochen werden . . . Ja, wer kennt denn heute noch das wunderschöne Wort »dorwieren«, also quasi »gängeln« oder »itzsch« (merkwürdig), »urst« (toll) oder »schnobern«? Sie wissen nicht, was »schnobern« ist? Darunter versteht man das Aufspüren begehrenswerter Sachen zum Zwecke der Aneignung, ohne dass der Betroffene merkt, dass ihm etwas fehlt. Ja, ja: Eine feine Dresdner Umschreibung für intelligentes Klauen.
    In meinem konkreten Fall ging es um Emailleschilder, die ich als junger Mann schnobern ging. Dresden war ja bis 45
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