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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
Autoren: Paul Bedel
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Die Anziehungskraft des Mondes lässt den Gezeitenkoeffizienten
     absinken, die Seinebucht leert sich, das merkt man auch bei uns. Die Wassermassen vereinen sich, schwellen an, kämpfen um
     ihr Territorium, zumindest stelle ich mir das so vor. Die Zeit bringt die Dinge wieder ins Lot.
    Die Springtide bzw. die Tagundnachtgleiche bestimmt letztlich auch, auf welchen Tag Ostern fällt. 1 Das Wetter, das zu dieser Tide herrscht, hat man im Prinzip auch an allen folgenden Tiden. Wenn der Wind zur Frühjahrstagundnachtgleiche
     stromabwärts weht, weht der Wind an jedem Niedrigwassertag bis zur folgenden Tagundnachtgleiche im Herbst stromabwärts. Wir
     sagen stromauf und stromab, weil wir uns hier am nördlichsten Punkt des Ärmelkanals befinden. »Stromabwärts« entspricht dem
     Wind, der aus Barneville kommt (also Süd- oder Südwestwind), »stromaufwärts« dem Wind aus Barfleur (Nordwind).
    Was die anderen Tage angeht, so beobachte ich, aus welcher Richtung der Wind kommt, und dann entscheide ich, was ich am nächsten
     Tag auf meinen Feldern tue. Weht der Wind stromaufwärts und donnert das Meer laut in die Bucht von Écalgrain, dann höre ich
     das bis hierher und der Wind wird am nächsten Tag in südlicher oder südwestlicher Richtung wehen: Das Wetter wird mild. Weht
     der Wind stromab und bohrt sich mit Getöse in den Raz Blanchard, dann weht er am nächsten Tagaus Nord-Nordwest. Weht er aber stromabwärts und ich kann hören, wie die Wellen sich an der Landspitze von La Hague brechen,
     schlägt er tags darauf um. Was wirklich ein Geschenk des Himmels ist. Dann lasse ich die Feldarbeit liegen und gehe zum Fischen,
     denn dann fällt die Tide rasant ab. Bei Südwind sinkt sie weniger schnell.
    Natürlich gibt es bei uns noch die
Vouétène
, einen kühlen Westwind. Dann geht die Sonne mit gelblichem Schein bei trockenem Wind unter.
Vouétène
sagt man allerdings nur in unserer Gegend hier. Du siehst den schweren Himmel und du weißt, was es geschlagen hat. Die Vouétène
     trocknet alles aus.
    Letzten Endes kann man sagen, dass ein Wind, der schlecht ist für den Boden, das schönste Niedrigwasser macht. Andernfalls
     reicht der Sog nicht aus, die Strömung wird nicht genug zurückgedrängt. Das verpufft einfach.
    Manchmal sind die einfachsten Dinge auch am schwersten zu verstehen, aber ein Bauer versteht sie mit der Zeit.
    Eines ist hier bei uns in Auderville aber sicher: An Regen fehlt es uns nicht. Wenn es hier regnet, dann ist das gutes Wetter
     für mich und meine Felder.
    Die Alten, also die Weisen – allerdings auch nicht jeder   –, das waren früher unsere Barometer. Am Palmsonntag traten sie während der Messe vor die Kirche, um nach dem Wetter zu sehen.
     Während der Lesung aus dem Evangelium gingen sie hinaus, und das Wetter, das in diesem Moment herrschte, gab ihnen den Ton
     für das ganze Jahr an. Anschließend konnte man im Bistro, wo die Männer sich trafen, hören, wie das Wetter in den kommenden
     Monaten werden würde. Das Geheimnis wurde sogleich weitergegeben.
    Die Weisen damals zahlten ihren Wein nicht, aber sie sprachen ihm tüchtig zu!

Der Raz Blanchard
    Gischtkronen, mahlendes Packeis, reißendes Monstrum – welches Gesicht der Raz dir zeigt, bestimmt er selbst. Er saugt alles
     ein und wirbelt es durcheinander wie eine riesige Schleuder. Die Leute aus La Hague haben schon das Ihre erlebt, was Schiffbrüche
     und Schmerzen, Schreie und Tränen angeht.
    Diese Strömung ist schlau, sie ist nicht wie die anderen. Den Raz Blanchard kann man nicht bändigen. Einmal lässt er dich
     durch, und das nächste Mal hat er keine Lust, und aus und vorbei. Falls du dir einbildest, du kannst seiner Herr werden, dann
     schließt er dir schnell dein vorlautes Maul.
    Der Raz Blanchard ist ein wirres Durcheinander aus kurzen und langen (kurz- und langwelligen) Strömungen, die gegeneinander
     ankämpfen und ihn noch schneller machen. Die langen Strömungen lauern hinter den Felsen, so lange sie können, und die kurzen
     stürmen dagegen an. Das menschliche Auge aber sieht nur weiße Schäfchen in der brodelnden Brandung.
    Der Raz ist eine Gezeitenströmung.
    Manchmal ist er hell und laut wie ein Wasserfall.
    Der Rückstau der Strudel und Wirbel sieht wie ein Watteband aus, ein dicker weißer Verband auf der Haut des Meeres. Denn darunter
     tobt und tost es. Die Wirbel wühlen sich unter Steine und Felsen, von den vorüberziehenden Schiffen ganz zu schweigen. Der
     Raz spieltdem Land genauso übel
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