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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
Autoren: Paul Bedel
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auf den Fersen ist wie der Gerichtsvollzieher.
     Sie geht ein bisschen ungenau, drum habe ich ein bisschen an ihrer Pendelschnur herumexperimentiert, die sich im Laufe der
     Jahre abgenutzt hat. Ich habe einen ordinären Knoten hineingemacht. Sie hat einfach schon zu stark gesponnen, sie ist immer
     nachgegangen und wir mussten uns dann beeilen!
    Und wir lassen uns einfach gern Zeit.
    Vor fünfzehn Jahren war sie mal kaputt. Als ich sie so in alle Einzelteile zerlegt auf dem Tisch liegen sah, habe ich bei
     mir gedacht:
    »Das war’s dann wohl, du Ärmste!«
    Keiner kann sich aussuchen, wie er stirbt, und unsere Uhr wollte sicher auch nicht kaputtgehen. Das war einfach der Verschleiß.
     Ein Verwandter von mir hat die Uhr mit zu sich nach Hause genommen. Dort hat er ein bisschen Zahnarzt gespielt. Er ist recht
     geschickt im Reparieren von Sachen.
    Bei einem Zahnrad war ein Zahn ausgebrochen, so wie alte Leute einen Zahn verlieren. So ein kleiner Kupferzacken, ohne den
     sie nicht richtig funktionierte. Dieser abgenagte Zacken war schuld daran, dass die Zahnräder nicht mehr richtig ineinandergriffen.
     Darum hat ihr mein Verwandter das Gebiss in Ordnung gebracht. Ein paar Mal mit der Feile drüber, und zack, sie ging wieder
     wie neu. Seitdem bin ich auf unsere Uhr direkt ein bisschen neidisch. Ich habe nämlich ein paar schlechte, abgebrochene Zähne
     und muss deswegen immer auf der rechten Seite kauen. Eigentlich sollte ich zum Zahnarzt gehen, aber ich weiß nicht, ob es
     den Aufwand wert ist, so eine alte Kiste wie mich, die bald aus dem Verkehr gezogen wird, noch einmal reparieren zu lassen.
     Wie auch immer, ich kaue jetzt nur noch auf einer Seite. Unsere Uhr jedoch hat seit ihrem Besuch beim Gelegenheitszahnarzt
     zwei einwandfreie Kiefer.
    Alte Mädchen sind bekanntlich zäh.
    Als sie zum Reparieren ein paar Tage außer Haus war, mussten wir auf ihr gewohntes Tick-tack verzichten. Mutter konnte nicht
     einmal mehr stricken. Das Ticktack der Sekunden fehlte ihr, sodass sie immer wiederMaschen fallen ließ, weil sie beim Stricken so sehr auf die Uhr geeicht war. Und wenn wir drei, meine zwei Schwestern und
     ich, aus dem Haus gingen, um draußen auf unseren Feldern zu werkeln, fühlte sich unsere arme Mutter ganz verlassen in dieser
     Stille. Wenn wir von der Feldarbeit zurückkamen, fragte sie jedes Mal ganz ungeduldig:
    »Wann kriegen wir unsere Alte endlich zurück?«
    Die Uhr leistete ihr Gesellschaft, wenn auch nur als vertrautes Hintergrundgeräusch.
    Als unsere Uhr wieder da war, brachte sie eine leichte Zeitverschiebung mit. Das war ein Vorteil, denn seitdem geht sie nach
     Normalzeit. Man möchte fast meinen, sie kann zählen. Es gibt da eine leichte Abweichung, die wir schon seit Ewigkeiten kennen.
     In den wissenschaftlichen Sendungen im Fernsehen ist manchmal die Rede davon.
    Übrigens ging vor sechzig Jahren die Sonne immer ein Stück neben unserer Madonnenstatue auf, die heute noch auf demselben
     Platz auf dem Kamin steht. Die Sonne scheint durch dieselbe Fensterscheibe, aber um zwei Zentimeter versetzt. Das habe ich
     genau beobachtet.
    Unser alter Uhrkasten hält sich gern für die Weltzeituhr. Außerdem hat unsere Uhr ein Schlagwerk. Halbe Stunden zeigt sie
     mit einem Schlag an, volle Stunden verkündet sie mit so vielen Schlägen, wie es der Stundenzahl entspricht. Bei den vollen
     Stunden beginnt sie mit dem Schlagen noch einmal, etwa eine Minute, nachdem sie zum ersten Mal geläutet hat. Wenn du noch
     schläfst und nicht mitgekriegt hast, wie spät es ist, dann zählt sie es dir noch einmal mit einem leisen Fünf-Uhr-Wimmern
     vor:
dong, dong, dong, dong, dong
. Du kannst sie vom Bett aus ausschimpfen, so viel du willst, sie fängt mit ihrem Radau unweigerlich von vorne an. Da kannst
     du dir nur das Kopfkissen über die Ohren ziehen.
    Unsere große Uhr im Esszimmer zählt die Wochen im Hause Bedel. Das ist viel interessanter als so eine Uhr mit Batterie. Bei
     diesen elektronischen Uhren bewegt sich nichts, da gibt es für unsereins nichts zu tun. Das Tagwerk eines Bauern oder eines
     Arbeiters ist eben anders. Man muss immer ein bisschen in Bewegung bleiben, sonst landet man schneller in der Grube, als man
     meint. Ich möchte nicht mit Batterie funktionieren, wenn man vom Herzen mal absieht. Viele alte Leute leben ja nur noch, weil
     man ihnen so ein Ding eingesetzt hat. Jeanne, eine Nachbarin aus Jobourg, die bald hundert wird, hat das recht treffend beschrieben:
    »Der Doktor hat
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