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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
Autoren: Paul Bedel
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in ihre Kammer hinaufgestiegen. Ihr Leichnam lag friedlich auf dem Bett. Die weißen Haare waren zu einem Knoten aufgesteckt,
     demnach hat sie sie nie abgeschnitten. Ich habe sie nicht wiedererkannt, aber sie dürfte mich von dort oben, wo sie jetzt
     war, auch nicht wiedererkannt haben. Ich setzte mich auf den Strohstuhl und schaute mir die Aufnahmen von ihren Kindern an,
     ihre Hochzeitsfotos, die Bilder von den Enkeln, wie sie ihre Geburtskerzen ausblasen.
    Und mit einem Mal lief in aller Langsamkeit die Erinnerung an einen längst vergangenen Sommer vor mir ab. Der Moment, als
     ich sie mit meinen Augen umfing. Zwei kurze Stunden hatte ich ihre Hand gehalten, so lange ein Spaziergang zweier junger Leute
     eben dauert. Das war bei einer Versammlung mehrerer Pfarreien gewesen, direkt nach Kriegsende. Diese wenigen Stunden sind
     im Laufe der Jahre in meiner Erinnerung immer länger geworden. Ich dachte damals, dass sie meine Frau werden würde, dass ich
     sie fragen würde, ob sie mich heiraten möchte.
    Ich habe mich in sie verliebt, als ich da so neben ihr ging, ihre Hand in meiner.
    Bei mir war es das erste Mal. Dieses Gefühl hatte ich nur zwei Mal im Leben.
    Doch mit meinen siebzehn Jahren – so alt war ich damals – gab es zu viele andere Sachen, um die ich mich kümmern musste, und
     so habe ich meinen Antrag aufgeschoben, ohne etwas zu sagen.
    Ich saß schon eine Weile so da und betrachtete ihresterbliche Hülle, als das Gefühl mich überkam, aber geweint habe ich trotzdem nicht. Tränen weint man, wenn man etwas bereut
     oder sich schuldig fühlt.
    In diesem Zimmer, in dem der Leichnam einer toten Frau ruhte, die ich so lange Zeit in meinem Herzen getragen hatte, zog meine
     Jugend noch einmal an meinem inneren Auge vorbei.
    Bis zu diesem Tag hatte ich immer wieder für sie gebetet, für sie und die Entscheidung, die sie für ihr Glück getroffen hatte
     und die die richtige gewesen war.
    Sie hat sich nicht mit mir verlobt und hat mich nicht geheiratet. So ist es nun einmal. Was war ich doch für ein Esel! Ich
     hatte ihr nicht gesagt, wie sehr ich sie liebte, weil ich Angst hatte, sie könnte mich zurückweisen, und dass unsere Väter
     dagegen sein würden. Ich kam mir ihr gegenüber immer so klein vor, vielleicht, weil ich keinen Schulabschluss hatte und statt
     einem Doktorhut nur einen Eselshut vorweisen konnte. Während des Militärdienstes habe ich meinen ganzen Liebeskummer noch
     einmal durchlebt, als ich erfuhr, dass sie sich drei Monate nach unserem harmlosen Spaziergang mit einem anderen zusammengetan
     hatte. Als sie sich dann verlobte, war ich am Boden zerstört.
    Trotz all der Zeit, die inzwischen vergangen war, und obwohl sie jetzt tot war, war sie immer noch Teil meines Lebens. Ich
     habe den Tag noch einmal erlebt, als sie mir auf der Straße entgegenkam. Da wäre es noch möglich gewesen, aber ich habe mich
     nicht getraut, ihr zu sagen, dass ich sie liebe. Obwohl mein Militärdienst vorüber war. Ich habe nicht den Mut aufgebracht,
     ihr meine Gefühle zu gestehen. Wir standen gegen das Gatter zu einem meiner Felder gelehnt, vollkommen ungestört. Und obwohl
     ich mir während der Zeit beim Militär dieseSzene tausend Mal vorgestellt hatte, brachte ich nicht ein Wort über meine Liebe heraus.
    Heute bedauere ich, dass ich so dumm war und aus Respekt vor ihrem Verlobten nichts gesagt habe, denn so habe ich sie für
     immer verloren.
    Wie sonst auch habe ich ihm den Vortritt gelassen. Zuerst die anderen, dann Paul.
    Vielleicht hätte sie ja alles umgeworfen, dann wäre ich nach vielen glücklichen Jahren an der Seite dieser so schönen und
     freundlichen Frau an diesem Tag Witwer gewesen.
    Heute würde ich ihr schreiben, ich würde nicht mehr schweigen. In meinem Alter hat man begriffen, dass sich im Leben alles
     wieder hinbiegen lässt, wenn nur genug Zeit ist.
    An jenem Tag, als ich auf dem kleinen Strohstuhl saß, waren wir noch einmal ungestört zusammen. Ich sagte ihr damals, wie
     dumm ich gewesen war. Darüber bin ich froh, denn nun weiß sie alles.
    Ich habe einmal noch ihre Hand in der meinen gespürt.
    In einem Augenblick wie diesem fragt man sich nicht, wozu es gut gewesen sein soll, dass man zur Welt gekommen ist. Nein,
     man fragt sich nur, ob es die Mühe wert war, ohne die Liebe einer Frau an seiner Seite zu leben.
    Nun, das werde ich wohl nie herausfinden.
    Zumindest glaube ich das, denn man lebt (im Prinzip wenigstens) nur einmal auf dieser Welt!
    Wie gesagt habe ich
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