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Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen

Titel: Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
Autoren: Paul Bedel
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wenn du da so ganz allein am Seil hängst, dann wird dir die Zeit
     lang. Armer Gusto! Mein Körper stieg in die Höhe, während ich der armen Seele, die da ins Paradies davonflog, die letzte Ehre
     erwies. Das Totenläuten konnte bis zu einer halben Stunde dauern, je nachdem, wie angesehen der Verstorbene war.
    Davon und von der Feldarbeit habe ich kräftige Muskeln und Knochen bekommen. Heute geht ja alles elektrisch. Ich drehe an
     drei Knöpfen und schon läuten die Glocken. Mittlerweile werden die Glocken – wir haben zwei im Glockenturm – für alle gleich
     lang geläutet. Das ist nicht schlecht, dass alle gleich viel Geläute kriegen. Denn unter der Erde liegen sowieso alle gleich
     tief.
    Ehrlich gesagt, bleibt mir so sogar noch ein wenig Zeit, denn als Landwirt im Ruhestand bin ich ziemlich beschäftigt. Wo ich
     auch bin und was ich auch tue, meine Zeit ist knapp bemessen. Das ist jetzt in der Rente genauso wie in meiner aktiven Zeit.
    Ich drehe jeden Schalter dreimal um, und die Glocken läuten von allein. Ich horche, ob sie richtig anschlagen, dann sperre
     ich die Sakristei ab, schiebe den Schlüssel in meine Jackentasche, knie nieder und bekreuzige mich.
    Draußen atme ich den frischen Wind ein und ziehe mir meine Kappe über die Ohren. Der weiße Friedhofskies knirscht unter meinen
     Füßen. Ich gehe schnell und meine Gestalt, krumm vom vielen Tragen, schwingt hin und her wie ein Klöppel.
    Ich biege in meine Straße ein.
    Ein kurzer Blick hinaus aufs Meer, eine kräftige Brise streicht über das Wasser.
    Ich schaue hinauf zu der Wetterfahne auf meinem Stall, die aussieht wie eine Kuh, und sauge die Luft ein, so wie es meine
     Vorfahren schon getan haben. Ein Mann, der Bescheid weiß, weil er einiges erlebt hat. Die Winde haben sich nicht verändert.
    Ein schmallippiger Gruß zur Nachbarin hinüber, die ihre Sprühdose, so nenne ich ihren Hund, Gassi führt. Er pinkelt immer
     auf unsere schöne Hortensie, sodass die Blätter schon ganz gelb sind. Zum Glück kommt sie immer nur am Wochenende. Wochentags
     versucht die arme Pflanze, sich wieder zu erholen.
    Ich gehe ins Haus, wo das Telefon läutet. Einer aus der Pfarrei ruft an und will wissen:
    »Paul, wer ist denn eigentlich gestorben?«
    Und unweigerlich antworte ich auf diese Frage:
    »Also ich war’s nicht!«
    Nach wie vor macht mir dieser kleine Scherz einen Heidenspaß, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen! Wenn du nämlich ins
     Telefon keuchst, weil du gerade im Eilschritt von der Kirche nach Hause gerannt bist, weißtdu, dass du noch am Leben bist. Und der am Telefon meckert dann wie immer:
    »Lass deine Witze, Paul! Das weiß ich selber, dass du es nicht warst, wenn du ans Telefon gehst. Alter Gimpel!«
    Eins steht jedenfalls fest: Besser ein lebender alter Gimpel als ein toter alter Gimpel. Allerdings gibt es in den anderen
     Gemeinden keinen Paul, der die Totenglocken läutet.
    Manchmal erreichen mich ziemlich traurige Anrufe. Die Uhr bleibt auch für die nicht stehen, die wir lieben.
    Meine Frist ist bald abgelaufen und dann wird es auch für mich so weit sein.

Die Liebe
    Anfang 2008, es war ein dunstiger Tag, aber trotzdem sonnig, klingelte das Telefon. Ich hielt den Hörer mit den Fingerspitzen,
     weil ich gerade Kartoffeln fürs Abendessen geholt und noch Erde an den Händen hatte. Schweigend hörte ich zu, und bevor ich
     auflegte, sagte ich:
    »Ich komme morgen.«
    Tags drauf habe ich das Auto genommen und meinen Schwestern gesagt, dass ich den ganzen Tag weg sein würde. Wie immer hat
     mir Marie-Jeanne, die jüngere, mein Pflaster fürs Herz hergerichtet und Lakritzbonbons dazugelegt und ein paar
Madeleines
. Sie verzog beunruhigt das Gesicht und fragte finster:
    »Und wo fährst du hin?«
    »Weiß nicht.«
    Ich wollte über diese Sache nicht reden, weil ich noch nie mit jemandem darüber geredet hatte, nicht einmal mit derjenigen,
     die das Ganze als Einzige etwas anging.
    Ich legte mehrere Dutzend Kilometer zurück, dabei fahre ich nicht mehr gern Auto. Bäume und Hecken sausten an mir vorbei,
     Stopp- und Vorfahrtsschilder, Ampeln, Autos und LKWs. Und plötzlich lag da das Grün des Bocage vor mir. Man fährt ins Landesinnere
     hinein und merkt plötzlich, dass die Luft anders riecht, anders als die Luft am Meer, die Luft auf der Halbinsel von La Hague.
    Ich habe den kleinen Bauernhof gleich wiedererkannt, obwohl es fünfzig Jahre her war, dass ich von dort weggegangen bin.
    Man hat mich freundlich empfangen.
    Ich bin
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