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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition
Autoren: M Twain
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vertreiben, teils um mein Kapital vor Untätigkeit zu bewahren, vor allem aber um den Jungen zu formen – um den Jungen zu formen. Fortunas Rad dreht sich unaufhörlich, vielleicht muss er sich seinen Lebensunterhalt eines Tages selbst verdienen – in der Welt sind schon sonderbarere Dinge geschehen. Aber es ist nur eine kleine Sache – wie gesagt, eine bloße Nebensächlichkeit.«
    Und so war es auch – zu Beginn seiner Erzählung. Doch unter seinen geschickten Händen wuchs die Unternehmung und gedieh und dehnte sich aus – jenseits aller Vorstellungskraft. Nach einer halben Stunde endete er, endete mit dieser Bemerkung, die er auf bezaubernd lässige Art fallenließ:
    »Ja, unter den heutigen Umständen ist es nur eine Nebensächlichkeit – eine Bagatelle –, aber amüsant. Sie vertreibt mir die Zeit. Der Junge verspricht sich viel davon, aber er ist jung, weißt du, und versponnen; ihm fehlt die Erfahrung, die man mit großen Geschäften macht, die die Einbildungskraft zügelt und die Urteilskraft schärft. Ich schätze, da stecken zwei Millionen drin, vielleicht drei, aber mehr nicht, glaube ich; trotzdem, für einen Jungen, weißt du, der eben ins Leben tritt, ist das nicht schlecht. Ich möchte nicht, dass er ein Vermögen macht – das kann später kommen. In dieser Lebensphase könnte ihm das den Kopf verdrehen und ihm in vielerlei Hinsicht schaden.«Dann sprach er davon, dass er seine Brieftasche zu Hause auf dem Tisch im großen Salon liegengelassen habe, dass die Banken schon geschlossen hätten und –
    An dieser Stelle unterbrach ich ihn und bat ihn, Cable und mir die Ehre zu erweisen, bei der Lesung unser Gast zu sein – zusammen mit all seinen Freunden, die bereit wären, uns die gleiche Ehre zu erweisen. Er nahm an. Und dankte mir wie ein Fürst, der uns eine Gnade gewährt hatte. Seine Rede über die Eintrittskarten hatte ich deshalb unterbrochen, weil ich merkte, dass er mich gebeten hätte, sie ihm auszulegen und ihn die Rechnung tags darauf begleichen zu lassen; und ich wusste, wenn er erst einmal Schulden gemacht hätte, würde er sie begleichen, und wenn er seine Kleider dafür verpfänden müsste. Nach einer weiteren kurzen Plauderei schüttelte er mir herzlich und liebevoll die Hand und empfahl sich. Cable steckte den Kopf zur Tür herein und sagte:
    »Das war Colonel Sellers.«
    Kapitel
    Wie gesagt, das riesige Flurstück in Tennessee 3 gehörte meinem Vater zwanzig Jahre lang – unangetastet. Als er 1847 starb, begannen wir, es selbst zu verwalten. Vierzig Jahre später hatten wir es auf 10   000 Morgen herunterverwaltet und nichts dafür bekommen, was uns an die Verkäufe erinnert hätte.Um 1887 – möglicherweise war es früher – gingen auch die 10   000 Morgen flöten. Mein Bruder fand eine Gelegenheit, sie gegen ein Haus mit Grundstück im Städtchen Corry in den Ölgebieten Pennsylvanias einzutauschen. Um 1894 verkaufte er diese Liegenschaft für $ 250. Das war das Ende unserer Ländereien in Tennessee.
    Sollte die kluge Investition meines Vaters darüber hinaus auch nur einen Penny Bargeld abgeworfen haben, so kann ich mich daran nicht erinnern. Nein, ich übersehe ein Detail. Sie lieferte mir eine Spielwiese für Sellers und ein Buch. Aus meiner Hälfte des Buches bezog ich $ 15   000 oder $ 20   000, aus dem Bühnenstück $ 75   000 oder $ 80   000 – etwa einen Dollar proMorgen. Schon seltsam: Ich war noch nicht geboren, als mein Vater die Investition tätigte, insofern konnte er nicht beabsichtigt haben, mich zu bevorzugen; und doch war ich das einzige Familienmitglied, das je davon profitierte. Im Fortgang werde ich hin und wieder Gelegenheit haben, das Land zu erwähnen, denn es beeinflusste mehr als eine Generation lang auf die eine oder andere Weise unser Leben. Wann immer es um die Dinge düster stand, erhob es sich, streckte seine hoffnungsvolle Sellers-Hand aus, munterte uns auf und sagte: »Fürchtet euch nicht – vertraut mir – wartet.« So ließ es uns hoffen und hoffen, vierzig Jahre lang, und dann ließ es uns im Stich. Es lähmte unsere Kräfte und machte uns zu trägen Visionären, zu Träumern. Immer würden wir im folgenden Jahr reich werden – wir hatten keine Veranlassung zu arbeiten. Es ist gut, sein Leben arm zu beginnen; es ist gut, sein Leben reich zu beginnen – beides ist gesund. Aber es
voraussichtlich
reich zu beginnen! Wer das nicht erlebt hat, kann sich das Unheil nicht vorstellen.
    Anfang der dreißiger Jahre zogen meine Eltern
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