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Mein Weg zum Herzkind

Mein Weg zum Herzkind

Titel: Mein Weg zum Herzkind
Autoren: Sam Jolig
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werden. Manchmal will man die Wahrheit einfach doch nicht hören.
    Mit einem »nur unfruchtbar« bin ich schlussendlich aus dem Krankenhaus entlassen worden. Ich war glücklich leben zu dürfen. Aber realisieren konnte ich die Bedeutung meiner Unfruchtbarkeit damals noch nicht. Ich war einfach nur froh, in mein altes neues Leben zurückzukehren.

    Sieben Jahre später.
    Mein kleiner Bruder sollte Vater werden. Ich verstand die Welt nicht mehr. Als ich davon erfuhr, dass es meinen Bruder »erwischt«
hatte, schnürte es mir das Herz ab. Warum konnte ich keine Kinder bekommen? Warum sollte er mit neunzehn ungewollt Vater werden und ich niemals Mutter? Ein Gefühl von Eifersucht und Ungerechtigkeit stieg in mir auf. Ohne Kinder wollte ich mein Leben nicht verbringen. Ich wollte auch mal eine eigene kleine Familie haben. Mein Kind lieben und begleiten, es aufwachsen sehen, bemuttern und ihm die Hand reichen auf seinem Weg. Immer mal wieder hatte ich in den letzten Jahren über meinen Befund »unfruchtbar« nachgedacht, aber mich dann in andere Projekte gestürzt. Die vielen kleinen und großen Projekte waren mir wichtig – wichtiger als die Frage nach der Familienplanung. Ich war als Fotomodel um die Welt gereist und stand für große Firmen vor der Kamera. Ich nahm Schauspielunterricht und bekam als junge Schauspielerin kleine, aber interessante Rollen in Serien und TV-Produktionen. Ich schrieb eigene Songs und veröffentlichte meine Musik. Ich verewigte mich auf gedrucktem Papier in Wort und Bild. Als mein Bruder Vater wurde, war ich aber unmittelbar konfrontiert mit dem Thema Familienzuwachs. Zu sehen, wie Leben zu wachsen beginnt, zu spüren, was es nicht nur mit der angehenden Mutter machte, sondern wie die Umwelt reagierte, konnte ich nur schwer ertragen. Ich war wütend, benahm mich abweisend allem und jedem gegenüber. Warum war mir nicht vergönnt, selbstbestimmt entscheiden zu können, wann und ob ich ein Kind bekommen würde? Ich hatte die Kontrolle über meinen Körper verloren, war in meinen Augen nicht mal eine richtige Frau. Das machte mich unendlich traurig. So flüchtete ich aus meiner Kleinstadt – weg von der Familie – mal wieder nach Hamburg, in die Arbeit. Ich flüchtete in noch mehr Projekte, in noch größere Aufgaben, in
ein Leben, das für Kinder sowieso keinen Platz hatte. Dennoch, der Schmerz über meine Unfähigkeit Kinder zu bekommen ließ sich plötzlich nicht mehr verdrängen. Er war zu mächtig und er wuchs und wuchs und wuchs. Abwenden und einfach vergessen, das war keine Lösung mehr. Ich musste mich dem Thema stellen. Das Problem anschauen und dem »Monster« die Stirn bieten. Ich suchte professionelle Hilfe. Ich wollte herausfinden, was da genau bei mir los war. Und mir war klar, dass ich ohne einen guten Rat nicht aus dem »Tal der Tränen« kommen würde.

    Über einen Freund aus dem Buddhistischen Zentrum Hamburg bekam ich den Tipp, mich auf eine Familienaufstellung einzulassen. Ich nahm mir ein Wochenende frei und startete diesen energetischen Exkurs. In einer Gruppe von vierzehn fremden Menschen nahm ich, zunächst recht skeptisch, Platz. Sollte ich lieber wieder gehen? Meine Unsicherheit stand mir ins Gesicht geschrieben. Letztlich machten der Therapeut und seine Assistentin aber einen sehr seriösen und professionellen Eindruck auf mich. Also blieb ich.
    Die Kursteilnehmer waren bunt gemischt. Aus jeder »Schublade« etwas dabei. Die Esoterikerin genauso wie die Businessfrau. Männlein und Weiblein zwischen 24 und 60 Jahren – alle waren vertreten.
    Irgendwann war ich an der Reihe. Ich musste mich überwinden und vor diesen fremden Menschen laut formulieren, was in mir für große Wut, Traurigkeit und Hilflosigkeit sorgte. »Ja, ich bin unfruchtbar. Ich empfinde mich nicht als vollwertige Frau. Ich kann keine Kinder bekommen und ich bin sehr traurig darüber!« Sätze, die mir die Kehle abschnürten, die mir die Tränen
in die Augen trieben und meinen ganzen Körper erschütterten, bevor sie endlich raus waren.
    Rückblickend glaube ich, dass es nicht unbedingt das gestellte Familienbild war, sondern genau diese Sätze in genau dieser Runde, die mich befreit haben. Ein großer Schritt zurück zu mir. In mein Herz. Zu einer Zufriedenheit mit mir selbst. In so einer Sitzung geht es eben auch darum loszulassen und sich zu befreien. Mir hat es sehr geholfen.
    Nachdem Altes gegangen war, konnte endlich Platz für Neues entstehen. Mein Geist wurde freier, und ich wusste mehr denn
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