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 Mein spanisches Dorf

Mein spanisches Dorf

Titel: Mein spanisches Dorf
Autoren: Brigitte Schwaiger
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Betten und die Nachtkästchen und den Linoleumboden, und immer hat sie gesagt: Das ist sehr schön! Das ist sehr schön!
    Zwei Jahre war sie bei uns, bis sie geheiratet hat.
    Von der Guggi habe ich gelernt, was Damenbinden sind und ein Zungenkuß. Überhaupt hat sie mir Sachen erzählt, wo die Frieda gesagt hätte: Du bist noch ein Kind. Und von der Guggi habe ich alle Haberer gewußt. Und wie der Franz gekommen ist auf Besuch und die Großmutter gefragt hat: Wer ist denn der Herr? Da habe ich ganz laut gerufen: Das ist der Haberer von der Guggi!
    Da hat die Großmutter den Kopf geschüttelt wie immer, wenn sie sich wundert, wo wir das wieder gelernt haben. Und dem Franz habe ich Zöpfchen in die Stirnfransen geflochten und bin auf ihm herumgeturnt und es war sehr gut, daß die Guggi den Franz gehabt hat.
    Aber in Italien, wenn wir nach Grado gefahren sind, hat sie den Nico gehabt und dann den Rino. Ich habe alles miterleben dürfen, wenn sie sich getroffen haben, der Nico und die Guggi oder der Rino und die Guggi. Bella bionda, bella bambina, hat er zu mir gesagt. Die Guggi hat immer aufpassen müssen, daß sie der Nico nicht sieht, wenn sie den Rino trifft, und das war schwer, weil ihr roter Rock von weitem geleuchtet hat, wenn wir aus dem Hotel gegangen sind.
    Die Augenbrauen hat sie mir gezupft, daß mein Vater geschimpft hat, ich sehe aus wie ein Maikäfer, und die Zehennägel hat sie mir rosa lackiert.
    Ein Motorrad hat sie gehabt, mit dem ist sie zweimal im Monat nach Hause gefahren auf den Bauernhof zu ihrem Bruder. Und für die Zeit, in der sie das Motorrad nicht gebraucht hat, hat sie es dem Franz geborgt.
    Der Franz hat sich gewundert, warum die Guggi in ihrem Nachtkästchen ein italienisches Wörterbuch hat, und die vielen italienischen Briefe. Da hat er ihr das Motorrad zurückgegeben und ihr ein dickes leeres Briefpapier geschenkt, wo in einer Ecke ganz klein gestanden ist in seiner Schrift: So leer wie diese Blätter ist mein Herz ohne dich.
    Da haben sie dann geheiratet, und wir waren wieder ohne Dienstmädel. Sie hat geweint am letzten Abend, und meine Mutter hat gesagt: Aber Guggi, es sind ja nur dreihundertfünfzig Meter, da können Sie uns ja jeden Tag besuchen.
    Am letzten Abend haben wir zusammen noch einmal Smoke Gets In Your Eyes gesungen und alle anderen englischen Lieder, die sie mir gelernt hat.
    Statt der Guggi war dann die Edeltraud bei uns. Ganz winzige Augen hat sie gehabt und einen geschwollenen Mund, und so langsam war sie, daß der Vater und die Mutter immer nervös geworden sind, wenn sie ihr zugeschaut haben beim Geschirrabwaschen. Jeden Tag ist ihr die Milch übergegangen, und wie mein Vater sie einmal darauf aufmerksam gemacht hat, hat sie gesagt, sie kann es sich selber nicht erklären, warum das so ist. Am Abend habe ich ihr Liebesromane vorlesen müssen in Fortsetzungen, von einem schönen Mädchen Silvana, die so rein ist wie ein Edelstein, und sie wird geliebt von einem Prinzen aus England, aber selbst ist sie nur eine Warenhausverkäuferin und wird als Diebin verhaftet, obwohl sie nichts gestohlen hat. Aber die Edeltraud hat immer schon nach ein paar Minuten geschnarcht. Ihr war alles so gleichgültig.
    Deshalb habe ich einmal probiert, ob ich sie in Bewegung bringen kann, und ich habe mich im Kinderzimmer auf die Bettkante gesetzt und gesagt, jetzt muß ich ihr etwas erzählen. Sie hat mich mit ihren winzigen Augen ganz gleichgültig angeschaut. Du, Edeltraud, habe ich gesagt, es ist ein großes Geheimnis, was ich dir jetzt anvertraue, und du darfst es niemandem sagen. Sie hat mich nur angeschaut. Schwöre es mir, habe ich gesagt. Da hat sie gesagt, sie schwört es, und ob es meine Eltern wissen. Du, Edeltraud, habe ich gesagt, es ist so traurig. Und ich habe die Augen so lange offengehalten, bis mir Tränen heruntergeronnen sind. Und ich habe mich so gedreht, daß sie mein Gesicht und die Tränen gut sieht. Und dann habe ich gesagt: Meine Eltern sind nicht meine richtigen Eltern. Ich bin von ihnen gefunden worden und nur aufgenommen, und immer wenn ich an meine richtigen Eltern denke, muß ich weinen.
    Da hat sie ein ganz blödes Gesicht gemacht. Und hat gesagt, sie glaubt es nicht. Ich habe aber voller Tränen stumm genickt, und da fragt sie, wer meine Eltern sind.
    Das weiß ich eben nicht! habe ich gesagt, deswegen bin ich ja immer so traurig.
    Und die Edeltraud hat sich nur das Ekzem an ihrem Unterarm gekratzt und mich angeschaut wie eine Schildkröte.
    Glaubst du es
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