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Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder
Autoren: Unbekannter Autor
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Blut, und nach einer langen Pause kommt das Stadtkind auf seinen Vater zu sprechen: den Arzt, der gegen die Nazis war, die den Krieg angefangen und viele Millionen Leute sterben ließen. Das Dorfkind hat andere Freunde, die statt Vätern nur Foto-Väter haben, die hinter den Wörtern oder oder     Lerchen hoch in der Luft, die Wärme der Sonne wird lästig, das Dorfkind spürt die Röte im Gesicht. Es hatte mit der Gefangenschaft des Vaters ein bisschen angeben wollen, drei Jahre immerhin, nun fühlt es sich geschlagen, beschämt.
    Wieder eine lange Pause, dann die Frage: Und, haben sie ihn erschossen? Pause. Nein. Pause. Aufgehängt? Pause. Nein.
    Pause. Was denn sonst? Pause. Es war im Gefängnis. Nun sag schon. Sie haben ihm den Kopf abgehackt, mit so einer Maschine, mit einem Beil.
    Zum Glück ist der Waldrand erreicht, Schatten, be-hauene Baumstämme zum Sitzen. Das Dorfkind sagt nichts, das Stadtkind sagt nichts. Häuser, Scheunen und Ställe liegen still in der Talmitte, am Sonntag sind keine Traktoren unterwegs, keine Gespanne. Schweine und Kühe haben ihr Futter und geben Ruhe, in der Nachmittagszeit schweigen sogar die Hunde, Hähne, Glocken. Der einzige Lärm: die Lerchen über dem Weizenfeld. Kopf abgehackt, die beiden Wörter schallen ohrenbetäubend lautlos durchs Tal, wehen als Echo zurück und fressen sich ins Gehirn. Kopf abgehackt, das macht man bei den Hühnern, die werden mit der Hand an den Flügeln gepackt, auf den Hackklotz gelegt, wo sie zappeln, und dann hebt die Bäuerin die Axt, das ist Frauenarbeit, und hackt den Kopf ab, das Blut spritzt, der Kopf fällt zu Boden, das Huhn zuckt und zappelt weiter. Einmal hat das Dorfkind gesehen, wie das kopflose Huhn in die Luft stieg, mit hektischen Flügelschlägen über den halben Hof flog und plötzlich, wie angeschossen, abstürzte. Kopf ab, Blut auslaufen lassen, die Federn rupfen, waschen, salzen und ab in den Topf, das ist die Bestimmung der Hühner. Schon bei Kaninchen wird nicht mehr der Kopf abgehackt, Schweine kriegen den Bolzenschuss in die Stirn, Rinder karrt der Viehhändler ins Schlachthaus, keinem Tier sonst wird der Kopf abgehackt, warum hackt man Menschen den Kopf ab? Das Dorfkind ist allein mit den Wörtern Kopf abgehackt, darüber kann es nicht mit dem Freund reden, der hat schon zu viel gesagt, es bleibt allein mit den beiden Wörtern: Kopf abgehackt.
    Die Freunde kennen sich, seit sie laufen, seit sie sprechen können, sie sind nebeneinander, fast unter einem Dach, groß geworden. Axel und Rolf wurden im zweitletzten Kriegssommer aus Berlin zu ihrer Oma aufs Dorf geschickt, die sich im Pfarrhaus eingemietet hatte, die Mutter von Anneliese Groscurth. Direkt daneben das Bauernhaus der Tante, der Schwester Georg Groscurths. Nach der Hinrichtung ihres Mannes fand auch Frau Groscurth hier Zuflucht, eine Familie in zwei Nachbarhäusern, nur durch eine Gartenpforte getrennt. In Wehrda fielen keine Bomben, in Wehrda gab es zu essen, dann kamen die Amerikaner, und es gab immer noch zu essen. Die Freunde, Hand in Hand der erinnerungslosen frühsten Kindheit entwachsen, blieben unzertrennlich, auch als Axel zwei Jahre nach dem Krieg zum Berliner Stadtkind wurde.
    Beim Abendbrot versucht das Dorfkind den Vater zu
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