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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod
Autoren: Gert Heidenreich
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hinreichend und politisch unverdächtig: einmal die Gefährdung der Kinder, zum anderen die großräumige Sicherung eines Tatortes. Den Protestierenden war die Kriminalpolizei weniger unsympathisch, als es Bereitschaftspolizei gewesen wäre, was vielleicht daran lag, dass die Kriminaler keine Uniform trugen.
    So beendete ein unbekannter Toter die politische Aktion zur Rettung der Zungener Fischerhäuser noch am Sonntagabend. An den Fahrzeugen der Besetzer klemmten unter den Scheibenwischern Werbezettel, die auf besonders günstiges Vollholzparkett der Firma Paintner hinwiesen: Holz ist unser Stolz .

    Es war Sibylle Lingenfels, die darauf bestand, den ganzen Boden des Hauses aufzubrechen. Das gelang erstaunlich leicht, die Bretter waren sämtlich locker, die Nägel durchgerostet.
    Dabei wurde unter einer dritten Bohle neben dem Skelett ein menschlicher Kopf gefunden, den jemand zu den Handknochen gelegt hatte. Nach erster forensischer Einschätzung handelte es sich um eine große, blondgelockte Frau zwischen dreißig und vierzig, deren Tod maximal fünf Wochen zurücklag. Wegen der kühlen Feuchtigkeit am Flussufer war das Haupt gut erhalten. Wer immer es vom Rumpf getrennt hatte: Der Glätte der Trennung nach zu urteilen, musste er im Besitz einer äußerst scharfen Klinge sein und blitzartig zugeschlagen haben. So weit noch erkennbar, war der Ausdruck ihres Gesichts blankes Erstaunen.
    Rätselhaft für die Spezialisten des Tatortteams war, dass der Kopf in einer länglichen, aus hellem Holz und in einem Stück geschnitzten Schale in der Form eines kleinen Bootes lag, ein offenbar mit großem handwerklichen Geschick verfertigtes Modell.
    Rüdiger Törring erinnerte sich undeutlich daran, in Fernsehdokumentationen von Mythen gehört zu haben, aus Ägypten oder dem alten Griechenland, in denen von einem Nachen erzählt wurde, der die Toten über einen Fluss ins Jenseits brachte. Er nahm sich vor, Swoboda zu fragen, der sich in solchen Dingen auskannte.
    Lasst den Kopf drin liegen und nehmt das Ganze in die KTU, sagte er. Da will uns einer ein Zeichen geben, und wenn ich es richtig sehe, ist das die beste Spur, die wir bis jetzt haben.
    Noch beschäftigte ihn nicht das Problem, wie, warum und von wem der Kopf in dem kleinen hölzernen Kahn zu dem Skelett gelegt worden war, sondern die Tatsache, dass der Fund nicht zu seiner Vermutung über das Menschenherz in der Aegidiuskirche passte: Das Gesicht der Toten war zweifelsfrei nicht das von Iris Paintner.
    Jetzt hatte er neben der Frage, wessen Knochen hier lagen, zwei Morde an Frauen aufzuklären, von denen er nicht einmal wusste, ob sie vom selben Täter begangen worden waren.
    Während Sibylle Lingenfels die Studenten im Fischerhaus Nummer 4 befragte, stand Törring am Ufer der Nelda, blickte auf die Strömung und erinnerte sich daran, was Alexander Swoboda ihm vor Jahren geraten hatte: Spuren und Ermittlungsergebnisse, die nicht offensichtlich zusammengehörten, so lange einzeln zu verfolgen, bis ihre Gemeinsamkeit sich von selbst ergab. Zu früh hergestellte Verbindungen konnten blind machen für die Wahrheit.
    Er sah vom Fluss auf und genoss den leichten Schwindel beim Blick auf das Ufer und die Hügel mit ihrem ersten grünen Schimmer in den Wäldern, die jetzt unter dem Himmel flussaufwärts zu gleiten schienen, als sei das Land in Bewegung geraten.

TAGEBUCH

    Die Presse ist voll von dem Knochenmann. Wozu die Aufregung? Der Globus besteht aus Knochen. Von ihrem blonden Kopf war keine Rede. Vielleicht haben die Toten ihn doch in dem kleinen Nachen zu sich herübergeholt.
    Aber wie konnte sie der Hölle entkommen und wiederkehren? Hat ihr Wächter versagt?
    Dabei war er es, der mich gerufen hat!
    Nach dem, was man über die Vergangenheit der Holzhändler munkelt, war es nicht schwer, ihn zu finden. Man musste nur eins und eins zusammenzählen und konnte sich ausmalen, was geschehen war. Trotzdem wäre ich nicht auf ihn gestoßen, wenn er sich mir nicht gezeigt hätte.
    Ich war schon drauf und dran, umzukehren und meinen Lauf am Ufer fortzusetzen. Er hat die Bodenbretter unter meinen Füßen wackeln lassen, er hat von unten dran gerüttelt. Bin fast in ihn reingetreten.
    Er wollte ihren Kopf neben sich liegen haben!
    Vielleicht hat er sie unten abgeliefert, und die haben in der Hölle nicht auf sie aufgepasst.
    Um so wachsamer muss ich sein.
    Ich bin der letzte Kämpfer. Nach mir ist Chaos.

III

    Die Hölle

    HAST DU EINEN AUGENBLICK ZEIT FÜR MICH?
    Die Frage
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