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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod
Autoren: Gert Heidenreich
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besetzten Häuser gab. Fotografen, Reporter, ein Fernsehteam und eine Rundfunkjournalistin mit Übertragungswagen trafen ein.
    Der Pächter des Geländes, Martin Paintner, ließ der Polizei durch seinen Prokuristen Oliver Hart mitteilen, dass man kein Eingreifen wünsche. Paintner und seine Frau hatten sich, seit ihre Tochter Iris verschwunden war, in ihr Haus zurückgezogen und warteten auf eine Lösegeldforderung. Noch immer wollten sie an eine Entführung glauben und hielten an ihrer aussichtslosen Hoffnung fest. Einen Tag zuvor erst waren sie von der Polizei für eventuelle Bestimmungen um eine Haarbürste der Entführten gebeten worden, und noch hatte die DNA-Analyse keine Gewissheit über das Herz in der Aegidiuskirche ergeben.
    Gegen Mittag stieg hinter den Fischerhäusern von zahlreichen Campinggrills der Duft von Würsten und Schweinesteaks auf, Bierkästen mit Zickerpils standen zur Kühlung im Uferwasser der Nelda, und kein modernes Freizeitgelände hätte Vergnügen und Gerechtigkeitsempfinden auf so zwanglose Weise vereinen können, wie es die Rettungsaktion für die modrigen, wurmstichigen und verschimmelten Fischerhäuser vermochte.
    Wildfremde Menschen tauschten ihre Gründe für den Schutz der Tradition aus, in der Feststimmung entwickelten sich tiefer reichende Zuneigungen, die Kinder genossen die Aktion als Abenteuer, während ihre Eltern die Spekulanten verfluchten, die, wie man weiß und hier erneut gesehen hatte, über Leichen gingen.
    Unter dem frühlingshellen Licht dieses Apriltages entstand an der Nelda eine heitere Gegenwelt zur Profitgier der Investoren. Einer der Besetzer in schwarzer Joggerkleidung, der durch einen schmalen, dunklen Haarkranz und eine Tonsur auffiel, rief, später vielfach zitiert, in eine Kamera:
    Alles lassen wir uns nicht bieten, alles nicht!

    Plötzlich schrie ein Kind.
    Nach Verena Züllichs lautem Entzücken über das blutende Herz der Maria war dies der zweite Aufschrei, der Zungen noch lange beunruhigen sollte, wenn auch noch niemand ahnte, wie die beiden Schreie untereinander und mit einem dritten zusammenhingen, der noch bevorstand.
    Es war der gellende Schrei eines Jungen, er kam aus einem der Fischerhäuser.
    Mehrere Mütter und Väter stürmten zur Quelle des kindlichen Alarms und drängten sich durch die Tür von Nummer 5 neben dem Haus der Studenten, sahen im Halbdunkel, dass die Kinder, die hier gerade so wie durch die anderen Häuser getobt waren, unverletzt lebten. Sie hatten sich, stumm und blass, nebeneinander an der Wand aufgestellt.
    Der Junge, der geschrien hatte, er war höchstens sechs Jahre alt, hielt sich die Hände vor die Augen, japste nach Luft und schrie weiter. Er war in den Fußboden eingebrochen, stand noch immer bis zu den Knien in dem Hohlraum, vor dem er zwei der lockeren Bohlen hochgerissen hatte, um sich zu befreien.
    Seine Füße steckten fest. Als die Erwachsenen sich an die Dämmerung im Raum gewöhnt hatten, erkannten sie, dass das Kind bis zu den Knien im Brustkorb eines menschlichen Skeletts stand wie in einem Wolfseisen und beim Blick nach unten den Schädel vor sich gesehen haben musste.
    Eine Frau packte den Knaben und riss ihn hoch, brach dabei dem Toten zwei staubende Rippen, konnte das Kind aber in ihren Armen beruhigen, bis die leibliche Mutter in das Fischerhaus kam und der Trösterin den Jungen entriss, der nun wieder schrie.
    Die Presse vor Ort, die vom mittlerweile üblichen Kampf der Bürger gegen den Fortschritt berichten wollte, hatte unversehens eine veritable Sensation. Sollten sich noch irgendwelche verwertbaren Spuren im Haus 5 befunden haben, waren sie durch Eltern, Kinder und Reporter unlesbar geworden.
    Die Demonstranten folgten ihrer Abneigung gegen die Staatsmacht und unterließen es, die Polizei zu informieren. Die Journalisten dokumentierten gründlich und in aller Ruhe den Schauplatz. Vor allem der Totenkopf hatte es ihnen angetan. Offensichtlich war die Stirn eingeschlagen worden. Die Kameras konnten sich daran nicht sattsehen. Dann rief ein Reporter der Zungerer Nachrichten Kommissar Viereck im Präsidium am Burgweg an und berichtete von dem Fund.
    Als Rüdiger Törring mit der Kriminalhauptmeisterin Sibylle Lingenfels und dem Tatortteam eintraf, war fast eine Stunde seit der Entdeckung des Toten vergangen, und die Eltern des kleinen Finders hatten gelernt, dass man in solcher Lage nur das erste Interview honorarfrei gibt.
    Für die polizeiliche Räumung des Geländes waren die Gründe nun
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