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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod
Autoren: Gert Heidenreich
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Studien in Betriebswirtschaft und Sportmanagement und seinen Hoffnungen auf einen Job als Model, um den er sich aber nie bemüht hatte. Du, mein Junge, du bist ein ganz Besonderer, hatte sein Vater ihm immer wieder gesagt, du wirst mindestens mal Professor, und dann freu ich mich noch im Grab. Frank Züllich war jetzt achtundzwanzig Jahre alt, ohne akademischen Grad, halbqualifiziert, arbeitslos, nicht vermittelbar. Vor vier Jahren war sein Vater mit einer Geliebten, von der die Familie nichts wusste, auf einer Bergwanderung tödlich verunglückt, und Frank war ins Elternhaus zur Mutter zurückgekehrt, lebte von ihrer Witwenpension und seiner Geschicklichkeit in Tauschbörsen für Computerteile. Vorwiegend aber wurden er und seine Mutter von der umfänglichen Lebensversicherung des Vaters durch die Tage getragen, was es seiner Witwe leichter machte, ihrem Mann nach einer Zeit zielloser Wut posthum seine Untreue zu vergeben.
    Über den Fenstern, mit denen Frank einen Teil des Daches selbst verglast hatte, sah er den Frühlingshimmel leuchten und darin wie eine rosige Wolke das lächelnde Gesicht seines Vaters, der ihm zurief:
    Hast du dein Glück gemacht, mein Junge?
    Frank hob die Hände, winkte ihm zu und rief hinauf:
    Bald! Bald!

    Der Maler Alexander Swoboda erfuhr von dem Wunder des blutenden Herzens in seinem Atelier in der Prannburg. Die Nachricht erreichte ihn mitten in einem Traum:
    Er versuchte, die Farbe der Auferstehung zu finden.
    Vor zwei Jahren hatte er sein Arbeitsleben als Kriminalhauptkommissar vorzeitig beendet und den jahrzehntelang ausgeübten Brotberuf als Aufklärer von Kapitalverbrechen abgelegt. Seither genoss er die Freiheit des Pensionärs und konnte seiner wahren und wirklichen Neigung, der Malerei, nachgehen.
    Während seiner Zeit als Kriminaler hatte er Kollegen, die seine Kunst Hobby nannten, so lange durch Gesprächsverweigerung gestraft, bis sie begriffen, dass er ein Künstler war, den ein Missgriff des Schicksals in den Polizeidienst versetzt hatte.
    Wenige wussten, wie es wirklich gewesen war. 1969 hatte die Münchener Kunstakademie ihn und seine Bilder gerade abgelehnt, und mehr aus Wut als aus politischen Gründen hatte er während einer Studentendemonstration einen Stein in die Hand genommen und wollte ihn am Odeonsplatz in das Schaufenster der amerikanischen Chase Manhattan Bank schleudern. Eine junge Beamtin in der Polizeikette ihm gegenüber ließ den schon gezückten Gummiknüppel sinken, legte den Kopf schief und sah ihn an. Er ließ den Stein fallen.
    Später hatten sie sich unterhalten. Er sprach über seine Bilder, seine Enttäuschung über die Akademie, und sie wollte sehen, was er malte. Bald darauf war sie in seinem Bett. Sie überredete ihn, zur Polizei zu gehen; als Brotberuf war das, wie er meinte, so gut oder so schlecht wie alles andere. Ein halbes Jahr später hatten sie geheiratet. Eine Tochter bekommen. Lena. Nach zwölf Jahren Ehe sich scheiden lassen. Ihm wurde die Schuld zugesprochen: Sein Verhältnis mit einer Polizeischülerin hatte darüber hinaus zur Strafversetzung geführt. Die Kunst hatte er nie aufgegeben, aber sein Leben änderte sich radikal.
    Seine Versetzung brachte ihn ausgerechnet nach Zungen an der Nelda zurück, wo er aufgewachsen war und das er einen Tag nach dem Abitur am altsprachlichen Eichendorff-Gymnasium auf dem Ludwigsbühel fluchtartig verlassen hatte. Irgendein Zyniker in der Verwaltung hatte sich diese Strafe einfallen lassen.
    Inzwischen herrschten in Zungen andere Verhältnisse, nur sein Widerwille gegen die Stadt war derselbe geblieben. Er arbeitete um so mehr, löste einige komplizierte Fälle in verblüffender Schnelligkeit und erwarb sich den Ruf des Kriminalers mit der guten Nase, der ihn seither begleitete.
    Nach seinem ersten Hörsturz musste er sich eingestehen, dass er lebte wie eine Kerze, die an zwei Enden brannte. Tags arbeitete er als Hauptkommissar, nachts war er Maler. Er rauchte, trank zu viel Wein und schüttelte verständnislos den Kopf, wenn Kollegen von Freizeit sprachen.
    Damals hatte sein zwei Jahre jüngerer Vorgesetzter, Kriminalrat Jürgen Klantzammer, eingesehen, dass die Kunst der Hauptberuf seines besten Mannes war, und durch seine Verbindungen in den Stadtrat dem malenden Kriminaler für eine erträgliche Miete das weitläufige Atelier im ersten Stock der Prannburg verschafft. Swoboda hatte die saalartigen Räume, die einst Stadtarchiv waren, umgebaut und renoviert, als die Zungener Verwaltung ins
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