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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod
Autoren: Peter James
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seinen.
    Er hatte die Einladung zu diesem vom Pharmariesen Bendix Schere veranstalteten Dinner der Royal Society of Medicine nicht aus Liebe zu seinem Beruf oder aus Bewunderung für das Unternehmen des Gastgebers, das er verachtete, angenommen. Vielmehr interessierte es ihn, über die Fortschritte auf dem Feld der Medizin auf dem Laufenden zu bleiben und zu einem Berufsstand Kontakt zu halten, dem er täglich mehr und mehr misstraute. Im Augenblick jedoch erinnerte ihn die Frau mit den glatten blonden Haaren und einem Gesicht, das eher hübsch als im klassischen Sinne schön war, die auf der anderen Seite des runden Tisches mit zwölf Plätzen hinter einer gezackten Reihe aus Weinflaschen und Wasserkrügen saß – an jemanden, aber an wen? Schließlich kam er drauf.
    Meg Ryan!
    »Wissen Sie, Oliver, es hat zwölf Jahre gedauert, bis wir Tyzolgastrin entwickelt hatten.« Johnny Ying, Vizepräsident, Leiter des Übersee-Marketings, ein Amerikaner chinesischer Abstammung mit Brooklyner Akzent und Meckifrisur, griff in sein Körbchen mit Gebäck. »Sechshundert Millionen für Forschung und Entwicklung. Wissen Sie, wie viele Unternehmen auf der Welt es sich leisten können, so viel Geld auszugeben?«
    Tyzolgastrin wurde als revolutionäres Mittel gegen Magengeschwüre gefeiert. Es war kürzlich von der Weltorganisation für Ethische Medizin auf die Liste der hundert wichtigsten medizinischen Fortschritte des 20. Jahrhunderts gesetzt worden. Nicht viele Leute kannten die Organisation, die ausschließlich von Bendix Schere finanziert wurde.
    »Sie hätten gar nicht so viel Geld ausgeben müssen«, bemerkte Oliver.
    »Warum nicht?«
    »Weil Sie Tyzolgastrin nicht entdeckt, sondern geklaut haben. Sie haben es erst vermarktet, nachdem Sie vierhundert Millionen Dollar mit dem Versuch vergeudet hatten, ein Antibiotikum gegen Magengeschwüre zu entwickeln.
Mir
können Sie einen solchen Blödsinn nicht erzählen.«
    Meg Ryan hörte einem schlanken, glatzköpfigen Mann zu, der enthusiastisch redete, während sie nickte. Ihre Körpersprache verriet Cabot, dass sie den Mann nicht im Geringsten sympathisch fand. Er fragte sich, worüber sie wohl sprachen. Und dann trafen sich erneut ihre Blicke, worauf sie sofort wegschaute.
     
    »Getunt – verstehen Sie? – der Motor hat 2850 ccm Hubraum, aber was habe ich gemacht: Ich hab den Wagen zu einer Firma in Tuscon gebracht und den Motor aufbohren lassen, was 2000 Kubikzentimeter mehr brachte …«
    Faith musste einen Blick auf sein Platzkärtchen werfen, um sich an seinen Namen zu erinnern. Deighton Carver, Vizepräsident, Leiter des Marketings. In der letzten Viertelstunde hatte er über Automotoren geredet, davor über seine Scheidung, seine neue Ehefrau, seine alte Ehefrau, seine drei Kinder, sein Haus, sein Power-Boot und sein Fitnessprogramm. Bislang hatte er noch keine einzige Frage an sie gerichtet. Ihr Tischnachbar zur Rechten hatte sich zu Beginn des Essens mit einem kräftigen Handschlag vorgestellt und sich während der fünf bisherigen Gänge mit der Frau rechts von ihm unterhalten.
    Das Dessert lag unangerührt auf ihrem Teller. Die leichte Übelkeit, die sie heute Morgen verspürt hatte, war zurückgekehrt, und sie hatte kaum etwas gegessen. Das Dinner zählte zu den gesellschaftlichen Verpflichtungen, die Ross genoss, aber Faith nicht ausstehen konnte. Mit einzelnen Ärzten war sie gern zusammen, in der Masse jedoch schlossen sie sich auf eine solch elitäre Art zusammen, dass sie sich jedes Mal als Außenseiterin fühlte.
    Ross, der Sohn eines Gaswerksangestellten und inzwischen gefeierter Schönheitschirurg, wurde von seinem Berufsstand hofiert und gefeiert. Sein Name stand auf der gedruckten Speisekarte auf der linken Seite, gegenüber dem Lammrücken an Zwiebelmarmelade, dem 93er Bâtard Montrachet und dem 86er Langoa Barton. Neben dem des Gynäkologen der Königin und einer Reihe anderer renommierter Ärzte. Ross gehörte zu den Ehrengästen: Ross Ransome, Dr. med., FRCS (Plast).
    Trotz allem war sie stolz, seinen Namen auf der Menükarte zu sehen, denn auf ihre eigene unbedeutende Weise hatte sie etwas zu seinem Erfolg beigetragen. Auf Ross’ Drängen hatte sie Sprechunterricht genommen, um ihren Londoner Vorortakzent ein wenig abzulegen. Seit Jahren las sie sich pflichtschuldig durch die Lektüreliste, die er ihr gegeben hatte: antike Autoren, die großen Dichter, Shakespeare, die bedeutenden Philosophen, alte und neue Geschichte. Manchmal war sie sich
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