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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod
Autoren: Peter James
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wieder ein und dasselbe Thema auf.
    Wann hat mein Leben mit Ross sich zu verändern begonnen?
    Hatte es während der letzten zwölf Jahre, in denen sie mit ihm zusammenlebte, einen Punkt gegeben, an dem sich der liebevolle, fürsorgliche, lebenslustige junge Hausmann, den sie über alles liebte, in das übel gelaunte Scheusal verwandelte, dessen Nachhausekommen sie fürchtete? War diese Angst immer da gewesen? Und hatte sie in jener ersten unbeschwerten Zeit die Liebe oder die Aussicht auf ein glamouröses Leben blind dafür gemacht?
    Oder hatte er diese Seite bewusst vor ihr verborgen?
    Und warum sah eigentlich nur
sie
diese Seite? Warum erkannten ihre Mutter oder ihre Freundinnen sie nicht? Aber sie kannte die Antwort. Ross bot ihnen keinen Anlass – er konnte unglaublich charmant sein. Obwohl die Medizin nicht vermocht hatte, ihrem Vater den langsamen, schmerzhaften und würdelosen Abstieg in den Tod während zwanzig elender Jahre zu erleichtern, hatte ihre Mutter bis heute gewaltigen Respekt vor Ärzten. Sie bewunderte Ross – war vielleicht sogar selbst ein wenig verliebt in ihn.
    Manchmal fragte sich Faith, ob der Fehler bei ihr lag. Erwartete sie zu viel von ihrem Mann? Führten ihre Depressionen dazu, dass sie nur das Schlechte sah und das Gute ignorierte? Denn selbst jetzt noch gab es glückliche Momente und gute Tage mit Ross, auch wenn sein Jähzorn oder seine Kritik an ihr diese am Ende meist kaputtmachten. Während des letzten Urlaubs in Thailand hatte sie versucht, ihre Ehe zu retten und dorthin zurückzukehren, wo sie einst gewesen waren. Sie hatte ihr Bestes gegeben, doch schließlich konnte sie nichts mehr für Ross empfinden.
    Es gab eine Grenzlinie im Leben. Man konnte jemanden an sie herandrängen, aber nicht darüber hinaus. Jenseits davon änderte sich alles unwiderruflich. Piloten nennen dies den
point of no return
: den entscheidenden Augenblick, wenn man den Start nicht mehr abbrechen kann und einem nichts anderes übrig bleibt, als abzuheben. Oder abzustürzen. Und genau an diesem Punkt befand sie sich jetzt. So weit hatte Ross sie gebracht.
    In der ersten Zeit hatte sie ihn so sehr geliebt, dass er
alles
durfte. Sie hatte so vollständig an ihn geglaubt, dass sie die Schmerzen und die Unannehmlichkeiten von sechs Operationen ertragen hatte. Und er hatte sie verwandelt – von einer Frau, die normal gut aussah, in eine, na ja, die besser als normal gut aussah. Und in gewisser Weise war das schmeichelhaft. Als sein kometenhafter beruflicher Aufstieg begann, hatte sie es genossen, dass er sie zu Konferenzen mitnahm, auf denen er auf die Neuformung hinwies, die er an Lippen, Augen, Mund, Nase, Wangen, Kinn und Brüsten vorgenommen hatte. Das war immerhin eine der Zugaben zu zwölf Ehejahren: die enorme Steigerung ihres Selbstbewusstseins, das jetzt beinahe ebenso gründlich untergraben war.
    Versteckt in einem Zimmer unterm Dach, das sie selten benutzten, bewahrte sie einen Stapel Bücher und Zeitschriftenartikel über Eheprobleme auf. Sie hatte
Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus
gelesen und noch einmal gelesen, hatte das Buch sogar im Haus herumliegen lassen in der Hoffnung – richtiger wohl: in dem
Irrglauben
 –, dass Ross das Buch zur Hand nehmen und darin lesen würde. Außerdem war sie kürzlich auf eine Internet-Chatline für misshandelte Ehefrauen gestoßen. Sie hatte den Kopf voller Ratschläge. Und voller Pläne.
    Das Leben kann wieder gut werden, dachte sie. Irgendwie finde ich schon einen Weg, dass es gut wird – für Alec und für mich selbst.
    In einem plötzlichen Anfall von Extravaganz kaufte sie für das morgige Abendessen im Supermarkt zwei tiefgefrorene Hummer – Ross’ Lieblingsessen –, ein paar gewürzte Hühnerflügel, für die Alec in Thailand eine Vorliebe entwickelt hatte, und seine Lieblingseiscreme: Caramel-Crunch. Dann fiel ihr ein, noch zwei Reispuddings mit Rosinen für ihre Mutter zu kaufen, die am Abend auf Alec aufpassen würde.
    Ach, Ross, warum versuche ich immer noch, dich zufrieden zu stellen? Nur um mir damit einige Augenblicke Frieden zu erkaufen? Oder betrüge ich mich selbst, wenn ich glaube, du würdest mich freigeben und mir erlauben, meinen Sohn mitzunehmen, wenn ich nur lieb genug zu dir wäre?
    Sie bog mit dem Range Rover auf die Auffahrt, vorbei an den großen imposanten Kugeln auf den Säulen und dem schönen Messingschild mit der Aufschrift Little Scaynes Manor. Es war ein großartiger Anblick, wenn man auf das
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