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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod
Autoren: Peter James
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eins.
    »Ich muss Alec wecken.«
    »Probier die hier mal an. Du musst passend angezogen sein – der Abend ist wirklich wichtig.«
    Leise fluchend wandte sie sich ab. Immer war alles
wirklich wichtig
. Doch sie zog das Kleid an. Und noch eins. Keines der Spiegelbilder gefiel ihr. Schlechter Tag für die Frisur, die Haare lagen nicht richtig, obendrein hatte das nasskalte Wetter in den letzten drei Wochen das meiste der übrig gebliebenen Sonnenbräune weggebleicht, so dass ihr Teint wieder fast so blass war wie immer morgens gleich nach dem Aufstehen. Vor ein paar Jahren hatte ihre Freundin Sammy Harrison mal gesagt, an einem guten Tag sähe sie aus wie Meg Ryan an einem schlechten. Und heute war kein guter Tag.
    »Muss ich zusammen mit den Schuhen sehen«, rief er, während er sie im Spiegel betrachtete und sich den letzten Schaum wegrasierte. »Und der Handtasche.«
    Zehn vor sieben; er war fertig angezogen und betupfte einen kleinen Blutfleck am Kinn. Auf dem Bett lagen fein säuberlich das Kleid, die Schuhe, die Handtasche, das Halsband, die Ohrringe. Alec schlief noch.
    »Okay, gut. Trag das Haar hochgesteckt.« Er nahm ihr Gesicht in die Hände, küsste sie leicht auf die Lippen – und ging hinaus.
     
    Das Leben ist die Hölle, dachte Faith, aber nicht, weil man stirbt, sondern weil man, ohne es überhaupt zu bemerken, zu jemandem wird, der man nie sein wollte.
    All die Träume, die man in der Schulzeit hatte, all die Biografien in den Hochglanz-Zeitschriften von Menschen, die alles zu haben schienen. Aber sie hatte das nie interessiert, sie war nie neidisch gewesen auf diese Leute. Ihr Vater, ein sanfter Mann, der sich nie beklagt hatte, war ihre ganze Kindheit hindurch bettlägerig gewesen, und solange sie zurückdenken konnte, hatte sie mitverdient, um ihrer Mutter zu helfen, die Familie durchzubringen. An den Wochenenden hatte sie im Wohnzimmer für die Handschuhfabrik am Ort, in der ihre Mutter halbtags arbeitete, Daumen an Fäustlinge genäht, und ab ihrem zwölften Lebensjahr war sie jeden Morgen um Viertel vor sechs aus dem Haus gegangen, um Zeitungen auszutragen.
    Sie hatte nie nach Reichtum gestrebt. Alles, was sie im Leben erreichen wollte, war, ein fürsorglicher Mensch zu werden und etwas Positives in der Welt zu bewirken. Es gab da keinen Lebensplan, es war ganz einfach ihre Einstellung. Wenn sie Kinder hätte, hatte sie immer gehofft, würde sie ihnen beibringen, ihre Umwelt zu respektieren, ihnen eine glücklichere Kindheit ermöglichen, als sie gehabt hatte, und sie zu guten Menschen erziehen.
    Doch jetzt, mit 32, hatte sich ihr Leben so weit von ihrer einfachen Herkunft entfernt wie von ihren Träumen. Sie war mit einem Schönheitschirurgen verheiratet, einem wirklich reichen Perfektionisten, und sie bewohnten ein absurd großes Haus. Sicher, sie sollte eigentlich dankbar sein für das, was sie hatte, wie ihre Mutter immer sagte. Aber sie beide würden wohl immer unterschiedlicher Meinung sein.
    Sie beschloss, die kleine Apotheke im Dorf zu meiden, und fuhr stattdessen nach Burgess Hill, dem nächstgelegenen Städtchen, in der es eine große Drogerie mit Apotheken-Abteilung gab. Während sie in der Schlange vor der Schranke zum Parkplatz wartete, blickte sie in den wolkenverhangenen Himmel und spürte förmlich, wie er sie niederdrückte. Als sie mit dem Fingernagel gegen einen Vorderzahn tippte, merkte sie, dass sie vor Nervosität leicht zitterte. Die undefinierbare dunkle Angst, die Teil ihrer Depressionen war, neben dem gelegentlichen, extrem beängstigenden Gefühl, nicht ganz in ihrem Körper zu sein, ließ sie nie lange los. Zum Glück lagen die Prozac-Kapseln im Badezimmerschrank. Hätte sie welche dabeigehabt, hätte sie jetzt eine genommen.
    Im Auto vor ihr saß eine ältere Frau am Steuer, die nicht nahe genug an den Ticketautomaten herangefahren war und deshalb die Tür öffnen musste, um an den Parkschein heranzukommen. Faith warf einen Blick auf den Tacho: 8,2 Meilen. Sie multiplizierte die Zahl mit zwei, für die Heimfahrt. 16,4 Meilen, über die sie Rechenschaft ablegen musste – Ross überprüfte den Tachostand täglich.
    Damit sie ihm gegenüber die Fahrt begründen konnte, kaufte sie in Waitrose Lebensmittel ein. Es war einfacher, sich Wege auszudenken, den Minen und getarnten Bomben auszuweichen, die er in ihrem gemeinsamen Alltag auslegte. So herrschte ein gewisser Frieden, zumindest in ihrem Wachzustand. Ihre Träume hingegen waren unruhig, und es tauchte dort immer
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