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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen
Autoren: Patricia Schröder
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Sehnsucht Platz machte. –
Ach, Gordy, wenn du nur ahntest, wie sehr du mir fehlst!
    Ruby und Ashton küssten sich zärtlich, dann zog sie ihn ins
Zimmer und schloss die Tür hinter ihm.
    »Hi«, sagte Ashton, schlenkerte mit seinem Arm und strahlte
mich aus seinen nussbraunen Augen warmherzig an.
    »Hi«, sagte ich und wurde ganz weich unter seinem Teddybärblick.
    Es war mir ein Rätsel, wie man es fertigbringen konnte, ihn
nicht zu mögen, aber leider wurde er von den Leuten aus der
Clique, insbesondere den Jungs, nicht ganz für voll genommen.
Noch viel schlimmer jedoch war natürlich die Geschichte
mit seinem Vater, der sich für ihn schämte und sich schon vor
Jahren, als Ashton noch ein Kind war, von ihm abgewandt
hatte.
    »Und?«, fragte Ruby. »Hast du mit Cyril gesprochen?«
    Ashton warf mir einen unsicheren Blick zu. »Ja«, sagte er
zögernd.
    »Wie geht es ihm?«, bohrte sie weiter.
    »Die Bisswunde ist gut verheilt«, erwiderte er.
    »Das ist ja schön für ihn«, presste ich hervor.
    »Elodie, du solltest froh darüber sein«, ermahnte Ruby mich.
    Ich schüttelte unwillig den Kopf. »Die Wunde, die
er mir
zugefügt hat,
könnte
man nicht mal nähen.«
    »Stimmt«, bestätigte Ruby. »Aber du könntest versuchen zuzulassen,
dass sie von selber heilt.«
    »Cyril würde es auch wollen«, sagte Ashton leise. »Ich glaube,
er wünscht sich nichts mehr als das.«
    »Ach, Cyril hat also plötzlich Gefühle!«, blaffte ich.
    »Für dich hatte er sie von Anfang an«, sagte Ruby. »Das war
ganz offensichtlich. Und das weißt du auch.«
    Ich kniff die Augen zusammen. »Ja, egoistische und besitzergreifende
Gefühle. Leider habe ich das viel zu spät erkannt.«
    Ruby und Ashton sahen sich an und mir wurde auf der
Stelle wieder unbehaglich zumute. Einerseits hätte ich die beiden
jetzt am liebsten vor die Tür gesetzt. Andererseits wusste
ich natürlich nur zu gut, dass das keine Lösung war. Guernsey
war äußerst übersichtlich. Es käme einem Kunststück gleich,
wollte ich Cyril dauerhaft aus dem Weg gehen. Wenn er es
darauf anlegte, würde er mich überall finden.
    »Du hast Gordy nicht verloren«, sagte Ruby. »Er hat
dir
geglaubt
und nicht Cyril.«
    »Muss ich ihm deshalb gleich verzeihen?«, knurrte ich.
    Ruby fasste mich am Arm und zwang mich, ihr in die Augen
zu sehen. »Nicht deshalb«, sagte sie sanft. »Sondern schlicht,
weil es klug wäre. Tu es für Gordy«, fügte sie eindringlich
hinzu. »Und für die anderen Delfinnixe. Wenn du recht hast
mit deiner Vermutung und Cyril ebenfalls ein Nix ist, wird er
ihnen allen vielleicht helfen können.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Es stimmte, was Ruby sagte,
aber noch war ich nicht bereit nachzugeben. Mein tiefstes Inneres
sträubte sich mit ganzer Kraft dagegen.
    »Er will dir alles erklären«, sagte Ashton, der nahezu reglos
hinter Ruby stand und seinen Blick ebenfalls auf mich gerichtet
hatte. »Morgen Vormittag am Strand in der Cobo Bay. Ab
elf Uhr wird er dort sein und auf dich warten.«

Obwohl ich mich mit aller Kraft dagegen sträubte, konnte
ich an nichts anderes mehr denken als daran, dass Cyril mich
sehen wollte. Morgen schon, in weniger als zwanzig Stunden.
    Nachdem Ruby und Ashton sich verabschiedet hatten, ging
ich in die Küche hinunter und aß mit meiner Großtante zu
Abend.
    Ich plapperte über alles Mögliche: das Wetter, den grandiosen
Auflauf, den sie zubereitet hatte, und darüber, dass
ich endlich schwimmen lernen wollte – und dachte dabei ununterbrochen
an Cyril. Er besetzte mein Gehirn und ließ keinen
anderen Gedanken zu.
    »Man könnte beinahe meinen, dass dich jemand aufgezogen
hätte«, neckte Tante Grace mich. – Typisch! Ihr entging absolut
nichts. Und wie fast immer bekam sie es auch dieses Mal
hin, es mit ihrem unschlagbaren Humor zu nehmen.
    »Nicht, dass ich wüsste«, sagte ich und schob den Rest des
überbackenen Gemüsereises auf meine Gabel. »Rubys und
Ashtons Besuch hat mir einfach gutgetan.«
    »Nun ja, ich finde, du wirkst ziemlich aufgekratzt.« Tante
Grace stellte die Teller zusammen und musterte mich, unauffällig
zwar, aber ich bemerkte es trotzdem.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das kommt doch aufs Gleiche
raus.«
    »Nicht zwangsläufig«, erwiderte sie. »Und in diesem Fall
ganz bestimmt nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«, entgegnete ich und musste
mir Mühe geben, es nicht allzu patzig klingen zu lassen.
    Tante Grace rückte das bunte Tuch zurecht, mit dem sie
heute ihre widerspenstige graue
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