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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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sich eine kleine Wohnung leisten zu können. Zuerst versuchte sie es bei der Verwaltung von Wohnblocks, die für alle Rassen zugelassen waren, aber sie fand, daß die Miete für eine Studentin zu hoch war, und außerdem konnte sie unmöglich einen Jahresvertrag abschließen, weil sie im Sommer während der Ferien natürlich daheim sein würde. In einem der Häuser gab ihr der Portier die Anschrift eines Wohnblocks, der im August beziehbar würde, und als sie fragte, ob dieser für Farbige zugängig sei, schaute er sie verwundert an und sagte: „Wieso ist Ihnen das wichtig? Sie sind doch eine Weiße, nicht wahr?“
    Als nächstes ging sie zum Verein Christlicher Junger Frauen und dann zum Verein Christlicher Junger Männer, aber beide hatten lange Wartelisten und konnten ihr vor August keine bindende Auskunft über eventuell frei werdende Zimmer geben. Da Cara nicht ohne eine etwas sicherere Zusage heimfahren wollte, wandte sie sich nun dem Südteil der Stadt zu. Sie kannte sich nicht aus und hatte daher keine Ahnung, wo sie sich nach einer Pension umschauen konnte, und so kam es, daß sie sich in die Gegend verirrte, die von dem alten Negerviertel übriggeblieben war. Jahrelang hatte Cara in dem verwahrlosten Negerviertel ihrer Heimatstadt gelebt, aber in einer Kleinstadt von Illinois wirkte selbst eine solche Gegend noch recht erfreulich im Gegensatz zu den Slums einer Großstadt wie Philadelphia, und die müden, hoffnungslosen Gesichter ringsum ängstigten das junge Mädchen. Hier gehörte sie nicht her, aber sie wußte auch nicht, wo sie sich in dieser fremden Stadt daheim fühlen konnte. Irgendwo in der Tiefe ihres Bewußtseins hörte sie die Worte des unbekannten Hausmeisters: „Sie sind doch eine Weiße, nicht wahr?“ Wenn jedermann glaubte, sie sei eine Weiße, würden sich dann nicht alle Probleme von selbst lösen? Wie mit einem Zauberstab wäre ihr Weg geebnet!
    Niedergeschlagen und voller Angst betrat sie eine Telefonzelle, schlug die Adresse des Prewitt-Heims nach, notierte sie auf einem Zettel und stieg in einen Bus, der in den Nordteil der Stadt fuhr.

    „Warum?“ fragte ihr Vater, als sie ihm erzählte, was sie getan hatte, „warum das, Cara?“
    „Weil ich Angst hatte und weil man es mir so leicht gemacht hat“, bekannte sie. „Du weißt, daß es schon immer mein größter Wunsch war, die Hawley-Akademie zu besuchen. Wenn ich erst einmal eine wirkliche Künstlerin bin, macht es nicht mehr soviel aus, bloß in der Schule ist es so wichtig.“
    „Es ist Betrug“, stellte ihr Vater sachlich fest. „Und es ist nicht recht. Schämst du dich deiner Rasse, Cara?“
    „Sag das nicht!“ entgegnete sie erregt. „Natürlich nicht. Ich möchte nur lernen und eine Chance haben. Weiß ich denn, ob man mich aufnimmt, wenn ich die Wahrheit sage?“
    „Es ist wirklich ein Risiko“, mischte die Mutter sich plötzlich ein, „und, Robert, wenn sie es erst einmal eingestanden hat... Seit sie zwölf Jahre alt ist, hat sie nichts anderes im Sinn als die Hawley-Akademie. Wenn dies der einzige sichere Weg ist, nun?“
    „Aber ist es denn der einzige?“ fragte der Vater mit tonloser Stimme.
    „Ich habe keine einzige Negerin in der Schule gesehen, Papa. Am anderen Tag hat man mich herumgeführt, bevor ich meine Zeichnungen zurückbekam.“
    „Aber das Wohnheim!“
    „Man erwartet von den auswärtigen Schülerinnen, daß sie dort wohnen“, gab sie traurig Auskunft. „Was hätte ich als Ausrede anführen können?“
    Am Schluß stimmten ihr die Eltern, wenn auch unwillig, zu. Ihre Briefe sollte sie postlagernd senden, für den Fall, daß irgend jemand im Heim die Stadt kannte und wußte, wo das Negerviertel lag. Die Eltern versprachen, niemandem zu sagen, daß sie an der Hawley-Akademie studierte, sondern so zu tun, als habe Cara in Philadelphia irgendeine Stelle angenommen. Vor allem mußte der Vater versichern, daß er sie nicht besuchen werde, wenn er die Strecke Chicago—New York befuhr. Unter diesen sich selbst auferlegten Bedingungen würden sie einander bis zu den Weihnachtsfeiertagen nicht sehen.
    Als Cara sich klarmachte, wie lange es bis dahin war, wurde sie sich zum erstenmal bewußt, wie einsam dieses Jahr für sie werden würde. Sie schnitt sich von einer vertrauten Welt ab, um Neuland zu erobern. Die Weißen waren anders als sie. Als Angehörige der nördlichen Staaten war sie zwar mit Weißen zur Schule gegangen, aber sie hatte nie einen davon näher kennengelernt, und nach dem Unterricht
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