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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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näherten, und sie spürte, wie ihre Hände vor Nervosität feucht wurden.
    „Miß Jamison ?“
    Cara schaute mit einem Lächeln hoch und heuchelte Erstaunen Ihre Augen streiften die neue Schülerin und registrierten mit einem Blick das lockige blonde Haar, das hübsche Gesicht und die schlanke, biegsame Figur in dem eleganten dunkelblauen Kostüm, um sich dann mit voller Aufmerksamkeit Mrs. Coles zuzuwenden.
    „Ja, Mrs. Coles?“ Sie stand auf und merkte sogleich, daß sie sich im Ton vergriffen hatte. Ihre Stimme klang viel zu gewollt höflich, fast unterwürfig.
    „Ich möchte Ihnen Ihre neue Nachbarin Elizabeth Gordon vorstellen. Elizabeth, dies ist Cara Jamison .“
    „Liz Gordon“, wiederholte das Mädchen mit einem gewinnenden Lächeln.
    „Angenehm“, murmelte Cara förmlich.
    „Guten Tag!“
    Nie würde Cara es fertigbringen, in diesem verbindlich selbstverständlichen Ton zu einem fremden Menschen „guten Tag“ zu sagen. Nie und nimmer! Allein der Gedanke schon widerstrebte ihr, und dieser wiederum ein Beweis dafür, daß zwischen ihr und diesen andern immer eine Kluft liegen würde. Nun, schließlich war sie nicht hergekommen, um Freundschaften zu schließen, rief sie sich ins Gedächtnis. Sie war einzig und allein zu dem Zweck hier, zu studieren und zu lernen. Vielleicht war Miß Gordon wirklich so nett, wie sie aussah. Cara besaß eine ziemlich gute Menschenkenntnis und sah sofort, daß dieses Mädchen sich von vielen andern unterschied. Ihr schien die übliche Arroganz zu fehlen, ja sie mochte sogar ein wenig unsicher sein, eine Eigenschaft, die bei einem so hübschen Mädchen recht überraschend war. Aber Cara konnte es sich nicht leisten, ihr freundlich entgegenzukommen; das war zu gefährlich. Darum hielt sie ihr Lächeln kühl und fast abweisend.
    „Vielleicht können Sie Liz um sechs Uhr zeigen, wo der Speisesaal ist“, schlug Mrs. Coles vor. „Ich möchte, daß sie sich gleich am ersten Tag zurechtfindet.“
    „Ich tu’ es gerne“, erbot sich Cara.
    Die beiden wandten sich zum Gehen, und über die Schulter rief Liz zurück: „Klopf einfach bei mir, wenn es Zeit ist. Ich hab’ mich gefreut, dich kennenzulernen, Cara.“
    Cara stand allein in ihrem Zimmer und überlegte, ob das Mädchen wohl so zu ihr sprechen würde, wenn sie die Wahrheit über Cara wüßte. Zweifellos würde sie so tun, als ändere sich nichts an ihren freundschaftlichen Gefühlen, denn heutzutage pflegt man in solchen Situationen immer besonders höflich zu sein. Doch davon darf man sich nicht täuschen lassen. Alles wäre anders, wenn Liz es wüßte. Es war immer so gewesen, und das war der Grund, weshalb Cara zum erstenmal in ihrem Verhalten unaufrichtig war.
    Es war ein erbärmlich kleiner Betrug, dachte sie traurig, zumindest schien es so, wenn man sich die Zeit nahm, ernsthaft darüber nachzudenken. Cara hatte großes Talent fürs Zeichnen, und sie wollte sich gründlich darin ausbilden lassen. Mit geradezu leidenschaftlichem Eifer hoffte sie, Grafikerin zu werden, Linien und Farben mit schöpferischer Hand so zu formen und zu gestalten, daß auf einem Blatt Papier wirkliches Leben entstand. So ernst war es ihr mit diesem Wunsch, daß aus ihm ihre erste unehrliche Tat entstanden war. Sie wußte nicht genau, ob sie ein Recht darauf hatte, in diesem Schülerinnenheim zu wohnen und die Hawley-Akademie zu besuchen. Ihre Zeugnisse waren zwar ausgezeichnet, und sie besaß auch das Geld für ihr Studium und den Unterhalt. Sie war begabt und so intelligent, daß sie im Gymnasium die Beste ihrer Klasse gewesen war. Ihre beiden Eltern hatten ein abgeschlossenes Universitätsstudium. Gewiß, es gab andere Kunstschulen, aber sie hatte darum die Hawley-Akademie gewählt, weil sie die Beste von allen war, und sie hoffte, daß sie durch die hervorragende Ausbildung dort vielleicht dem Schicksal ihrer Eltern entgehen würde.
    Ihr Vater hatte vor zweiundzwanzig Jahren das Abschluß-examen an der Universität mit „Gut“ bestanden, aber nach monatelangem vergeblichem Suchen war er schließlich sehr froh, den Posten eines Schlafwagenschaffners bei der Eisenbahn zu bekommen. Ihre Mutter hatte die Prüfungen auf dem College mit Auszeichnung bestanden, hatte es aber leider nur bis zum Dienstmädchen gebracht. Es hieß zwar, die Zeiten würden sich ändern, aber Cara wollte darauf nicht vertrauen. Schließlich hing ihr ganzes zukünftiges Leben davon ab.
    Nie zuvor hatte sie sich als Weiße ausgegeben. Daheim wäre das auch
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