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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball
Autoren: Arnold Kuesters
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glitzerte auf den groben Pflastersteinen. Das breite Holztor stand noch offen. Der Altbauer fluchte wieder leise und zog seine dünne graue Strickjacke fester um seinen hageren Körper. Auf dem kurzen Stück zum dunkelgrünen Hoftor setzte er vorsichtig Fuß vor Fuß. Jetzt nur nicht mit seinen Pantoffeln auf dem glatten Boden ausrutschen, dachte er. Das schwere Tor knackte und ächzte in seinen rostigen Angeln, als Feldges die beiden Flügel fest zuzog. Satt klatschten die hohen Torhälften aneinander. Das laute Geräusch dröhnte weit über die Zufahrt zum Gehöft und den nahen Acker, auf dem die kurzen Halme der Wintergerste wie mit Zuckerguss überzogen dicht am Boden lagen. Eine klirrend kalte Januarnacht. Feldges nickte zufrieden. Das war gut für den Boden.
    Wilhelm Feldges schob den breiten, geschmiedeten Riegel vor und hielt einen Moment inne. Um ihn herum war es still. So still wie seit vielen Jahren schon. Seit dem Tod seiner Frau lebte er die meiste Zeit alleine auf dem großen Hof. Nur tagsüber kamen seine Tochter und sein Schwiegersohn, um sich um die Arbeit auf den Feldern zu kümmern und um ihn zu versorgen. Er arbeitete schon längst nicht mehr mit auf seinen Äckern, das ließ seine Gesundheit nicht mehr zu. Früher, ja früher war er stark wie ein Baum gewesen. 14 Stunden am Tag in den Ställen und auf seinen Feldern hatten ihm nichts ausgemacht. Aber das war schon lange vorbei. Wenn es heute gut lief, kramte er tagsüber in einer der Scheunen und versuchte, das Werkzeug und den Trecker in Schuss zu halten. Auch das machte ihm von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen. Aber aufgeben und den Hof, sein Lebenswerk, endlich auf seine Tochter zu überschreiben, war ihm noch nicht in den Sinn gekommen. Obwohl – in den Sinn gekommen eigentlich schon, aber er wollte nicht loslassen. Noch nicht. Feldges hatte noch zwei Schwestern. Sie waren damals, als Ende ’44 die Dörfer entlang der Grenze zu Holland geräumt werden mussten, nach Bayern geschickt worden, weit weg vom Krieg. Nach dem Zusammenbruch waren sie dann dort geblieben. Schon seit vielen Jahren hatte er keinen Kontakt mehr zu ihnen. Einen Bruder hatte er auch noch gehabt. Aber der war im Dezember ’42 gefallen, irgendwo an der russischen Ostfront, nicht weit von Stalingrad. Für Führer, Volk und Vaterland.
    Wilhelm Feldges drückte seine großen und abgearbeiteten Hände in den Rücken und seufzte leicht. Er fror in seiner dünnen Stoffhose und der leichten Jacke. Kopfschüttelnd drehte er sich um und schlurfte zurück zum Haus. Er musste besser auf seinen Hof aufpassen und durfte das Zusperren nicht vergessen. Bei dem ganzen Gesindel, das sich heutzutage in der Gegend herumtrieb, konnte man nicht vorsichtig genug sein. In den letzten beiden Jahren war allein in der näheren Nachbarschaft in drei Höfe eingebrochen worden, außerdem war nicht weit vom Breyeller See die Scheune von Hubert Dammers in Flammen aufgegangen. Brandstiftung. Den oder die Täter hatte die Polizei immer noch nicht erwischt. Wilhelm Feldges putzte sich nachlässig seine Hausschuhe auf der Matte vor der Flurtür ab, drehte den Schlüssel zweimal herum und löschte dann das Hoflicht. Nur der Mond schien noch hell durch das matte Oberlicht der alten Holztür.
    Der kurze Weg über seinen Hof hatte ihn angestrengt. Er war froh, dass er sich wieder in seinen Fernsehsessel fallen lassen konnte. Ärgerlich bemerkte er, dass er vergessen hatte, die Vorhänge zuzuziehen. Das helle Mondlicht spiegelte sich auf dem Bildschirm und störte ihn ein bisschen, aber er wollte nicht schon wieder aufstehen. Als er endlich den Fernseher einschaltete, waren die Nachrichten schon fast vorbei. Müde zappte er durch die Programme. Seit er vor einem Jahr von seiner Tochter eine Satellitenschüssel bekommen hatte, mochte er nie lange bei einem Programm bleiben. Wilhelm Feldges beugte sich mühsam über den Couchtisch und zog die Fernsehzeitung zu sich, auf der seine Brille lag. Er sah am liebsten Tiersendungen. Aber an diesem Abend hatte er Pech, stellte er beim Blättern durch die Programmzeitschrift enttäuscht fest. Politische Sendungen und Magazine interessierten ihn nicht. Und Filme mit Werbeunterbrechungen waren ihm zuwider. Dann würde er sich eben im Dritten die Aufzeichnung des Zirkusfestivals von Monte Carlo ansehen. Wenigstens da würde er sicher ein paar Tiere zu sehen bekommen.

    In seinem Unterbewusstsein setzte sich ganz langsam das leichte Klopfen durch. Zuerst nahm er es kaum wahr. Dann
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