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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball
Autoren: Arnold Kuesters
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hatten Lisa allerdings sichtlich vergnügt und aufmunternd zugewunken. Zufrieden nickend setzte sie sich wieder hin.
    Frank hatte sich wieder gefangen. Damit hatte er nun überhaupt nicht gerechnet. Ausgerechnet heute und im Bauerncafé Alt Bruch auf das Thema Hochzeit zu kommen und dann auch noch so einfach, mit einem Satz, eine Entscheidung zu treffen. Für ihn hatte bisher kein Zweifel daran bestanden, Lisa heiraten zu wollen. Aber so ausdrücklich wie gerade hatten sie sich bisher nicht über das Thema unterhalten. »Ich möchte mal wissen, was die Leute hier in ihrem Leben schon alles erlebt haben.«
    »Die Leute hier werden ein ganz normales Leben geführt haben. Mit Träumen, Hoffnungen, Sehnsüchten, mit Enttäuschungen, mit großen und kleinen Tragödien, mit Gefühlen von Liebe, Hass, Trauer, mit Sonne, Regen, Verzweiflung, mit Kindern, Frank. Wie wir beide. Oder?«
    »Ja, sicher. Aber denk mal daran, in welcher Zeit sie jung waren.« Frank kratzte nachdenklich ein paar Krümel auf seinem Teller zusammen. »Sie werden den Krieg erlebt haben, zumindest als Jugendliche.«
    »Klar, stimmt schon. Aber sie werden sicher auch Schönes erlebt haben. Sieh in ihre Gesichter, Frank. Sie haben zwar viele Falten, und die meisten der Herren haben kaum noch Haare auf dem Kopf. Aber sie sehen doch nicht verbittert aus. Wer verbittert ist, hat keine Zukunft. Sie sind mit ihrem Schicksal fertig geworden.«
    »Sie hatten doch keine andere Wahl.«
    »Niemand kann sich sein Leben aussuchen. Wir werden alle in unser Schicksal hineingeboren. Und unser Kind auch. Wer weiß schon, was uns noch alles widerfährt.« Lisa nahm einen letzten Schluck Kakao. Genüsslich leckte sie sich den schmalen Kakaostreifen von ihren Lippen. »Hm, lecker.« Sie seufzte. »Komm, Frank, lass uns nicht mehr über das Leben der Alten reden. Lass uns über das Heute reden. Wann triffst du dich nachher mit den anderen? Bist du schon nervös?«
    »Nee, geht so, ist nicht so wild. Ich werde wie immer erst kurz vorher ein bisschen wibbelig.« Frank sah auf seine Armbanduhr. Sie hatten noch Zeit. Wolli hatte sicher schon längst mit dem Aufbau der Bühne und der Technik begonnen. Er würde also noch genug Zeit haben, Lisa nach Hause zu bringen, um danach zum Tach! nach Kaldenkirchen zu fahren. Frank spielte mittlerweile schon seit fünf Jahren die Bluesharp bei STIXS. Über die Jahre war die Band mit ihrem Techniker Wolli längst zu einem eingespielten Team geworden. Ein langer Soundcheck war daher nicht mehr nötig. Einmal den Klassiker Sweet Home Chicago angespielt, und sie konnten sich in Ruhe in ihrer Garderobe auf den Abend vorbereiten.
    »Und, möchtest du noch einen Kaffee?«
    »Lass uns lieber noch ein Stück gehen. Ein bisschen frische Luft kann vor dem Auftritt nicht schaden.«
    »Bei dem usseligen Wetter? Guck mal aus dem Fenster. Vor lauter Nebel siehst du ja kaum den Waldrand. Meinetwegen, aber nur einmal kurz hinten durch das Wäldchen.« Lisa sah ihn verschmitzt lächelnd an. »Na, vielleicht doch schon ein bisschen nervös, der Herr Musiker?« Ihre Stimme klang liebevoll. »Außerdem kann ich jetzt verstehen, warum dein Kollege Schrievers immer dicker wird. Wenn der hier regelmäßig über das Kuchenbuffet herfällt.«

II.
    Wilhelm Feldges schlurfte langsam von der Küche ins Wohnzimmer. Er stellte das Wasserglas und das weiße Plastikschälchen mit seinen Tabletten umständlich auf den niedrigen Couchtisch neben dem Fernsehsessel. Dann rückte er das breite, schon ausgefranste Kissen zurecht und setzte sich schwerfällig. Dabei ächzte er leise. Er griff nach der Fernbedienung, die auf der Lehne lag. Es war nicht mehr lange bis zu den Nachrichten. Wilhelm Feldges versuchte den Rücken durchzudrücken. Sein Kreuz tat ihm heute mehr weh als sonst, seine Handgelenke schmerzten. Das feuchte Wetter machte ihm zu schaffen. Auch das Atmen fiel ihm schwerer. Je älter er wurde, umso stärker litt er unter dem nasskalten niederrheinischen Klima.
    Gerade als er seine Beine ausstrecken wollte, fiel sein Blick durch eines der Wohnzimmerfenster. Er hatte vergessen, das Licht auf dem Hof auszumachen. »Mist, verdammter«, dachte er. Mühsam richtete er sich wieder auf und schlurfte zurück in die Küche und von dort aus in den dunklen, kalten und muffigen Flur. Mürrisch öffnete Wilhelm Feldges die Tür zum Hof. Er sah zum Himmel. Die Nacht würde auch diesmal wieder sternenklar werden. Raureif lag auf den dunklen Dachziegeln des Bauernhofs und
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