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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition)
Autoren: J.M. Soedher
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Farbe bemalt worden und die Hausmeister hatten die Kunstwerke, die seit Jahrzehnten im Reifenlager unter der Tiefgarage verstaubten, an der Wand angebracht. Bei manchem der Werke waren intensive Diskussionen darüber entstanden, wo sich jeweils oben, unten, links oder rechts befänden. Soweit er gehört hatte, war in einem Falle sogar die Entscheidung eines Sachgebietsleiters erforderlich gewesen, weil sich die Arbeiterschaft darüber nicht einig werden konnte und sogar in Streit miteinander geraten war.
    Er schlenderte an der Galerie der Unempfindsamkeit, wie er sie nannte , entlang und verspürte Sehnsucht nach der alten, schmuddelgrauen und kunstfreien Betonwand. Zwangskunstkauf war auch keine Lösung.
    Von draußen drang Dröhnen bis hierher. Findige Verwaltungsbeamte hatten wieder eine Schwachstelle am Bau gefunden, die es ihnen erlaubte ein neues Eurograb zu eröffnen.
    Er fuhr mit dem Aufzug in den Keller, querte durch monströse unterirdische Gängen bis zu seinem Bürotrakt und fuhr dort die drei Stockwerke nach oben. Im kahlen Gang angekommen, hörte er die Stimmen von Lara Saiter und Alex Hartmann aus dem Besprechungsraum, in dem der belebende Duft von Kaffee vermischt mit den dezenten Noten von Laras neuem Parfüm ein wohltuendes Raumklima schaffte.
    »Und, was hat er wollen, der Herr Weiss?«, fragte Alex Hartmann, setzte die große Kaffeetasse an und linste mit neugierigem Blick über deren Rand. Mit einem Schwenken des Kopfes versuchte er die langen widerspenstigen Lockensträhnen daran zu hindern, in die Tasse zu hängen.
    Bucher ließ die Frage zunächst im Raum stehen und genoss für einen Augenblick die Ruhe hier oben. Nicht einmal der alte Kühlschrank klapperte und der Baulärm schaffte es sowieso nicht bis hierher. »Er hat mich gebeten einer Sache nachzugehen«, sagte er schließlich.
    »Ja, wenn er dich gebeten hat, dann betrifft es uns ja nicht und wir können in aller Ruhe das Wochenende genießen«, kam es knarzig von Hartmann.
    Lara Saiter lehnte entspannt im Stuhl und sah die ganze Zeit zum weiten Fenster hinaus, so als ginge sie das alles schon nichts mehr an.
    »Es geht um eine vermisste Frau«, ergänzte Bucher.
    Hartmann reagierte wie erwartet. »Soso – vermisste Frau. Sind wir inzwischen schon für Vermisste zuständig. Und nächste Woche regeln wir den Verkehr auf der Nymphenburger Straße, oder was?«
    Bucher beschwichtigte seinen Unmut, mit dem er gerechnet hatte. »Die Sache ist einigen Herrschaften ein Anliegen, so jedenfalls hat es Weiss ausgedrückt. Es ist ja nichts Großes, was uns überfordern würde, zudem haben wir den letzten Fall abgeschlossen. Gut – Babette ist im Urlaub und der Kleine kommt erst nächste Woche wieder von seinem dreidimensionalen Kurs zurück, aber ich übernehme das.«
    Ohne ihren Blick vom Fenster zu lassen, fragte Lara Saiter: »Wer genau wird denn vermisst?«
    »Eine junge Frau, Ende zwanzig. Sie hat sich vor einem Monat verabschiedet, um eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela zu beginnen.«
    »Von München aus … zu Fuß?«, Laras Stimme klang neugierig, so als könnte das auch für sie etwas Interessantes sein.
    Bucher wunderte sich darüber »Ja, Pilgern. So hat man es mir gesagt. Zumindest hat sie ihren Job aufgegeben und ein Jahr für diese Reise eingeplant. Die Tour hat sie auf dem Marienplatz begonnen und seit etwa zehn Tagen gibt es keinen Kontakt mehr mit ihren Eltern.«
    Hartmann schnaubte und fuchtelte mit den Armen durch die Luft. »Ja glaub ich es denn!? Eine erwachsene Frau begibt sich auf Pilgertour nach Spanien und kaum meldet sie sich ein paar Tage lang nicht, landet der Fall nicht nur bei der Polizei, nicht nur bei der Kripo, nein – das Landeskriminalamt soll sich höchstpersönlich darum kümmern. Johannes! Das geht doch nicht, also bitte! Vielleicht ist sie genau aus diesem Grund auf Tour gegangen – weil sie mal Ruhe haben wollte vor ihren Eltern, mal keinen Kontakt, einfach mal abschalten, offline gehen … tsss. Was sind das für Eltern, he? … Politik, Wirtschaft, Bayerischer Rundfunk? Warum geht man denn Pilgern? Doch nur, um die ganze Sippschaft mal hinter sich zu lassen – Ruhe, Stille, Frieden. Bei mir wäre das jedenfalls so.«
    Bucher hatte ihn ausreden lassen. Der Kern dessen, was Hartmann da gesagt hatte, war auch ihm schon durch den Kopf gegangen. »Nein, keine Politiker, auch keine Leute mit Einfluss. Weiss hat mir nur gesagt, es seien besondere Umstände. Ich werde einen Termin mit den
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