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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition)
Autoren: Susanna Kearsley
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Zehenspitzen und beugte mich weiter vor, wobei ich meine Augen mit der hohlen Hand gegen die Reflexion des Sonnenlichts auf der Scheibe schützte. Es war tatsächlich das Fenster zur Küche oder auch zu einer Speisekammer. Ich konnte ein Regal mit Konserven erkennen und ein altes Waschbecken aus Porzellan. Ich verdrehte gerade meinen Kopf, um noch mehr sehen zu können, als hinter mir wie aus dem Nichts plötzlich eine männliche Stimme erklang.
    »Er ist nicht mehr da.«
    Es war eine freundliche Stimme mit einem leichten, unenglisch-gutturalen Klang darin, die aus einiger Entfernung zu mir gedrungen war. Aber nichts davon war mir sofort bewußt. Ich fuhr erschrocken herum und riß den Stapel Blumentöpfe scheppernd zu Boden.
    Zuerst konnte ich niemanden entdecken, aber während ich mich noch verwirrt umblickte, löste sich die Gestalt eines Mannes von der zusammengefallenen Steinmauer und kam über die Wiese auf mich zu. Es war ein noch junger Mann, vielleicht fünf Jahre älter als ich, der grobe Arbeitskleidung trug und lange Lederhandschuhe mit Stulpen, die merkwürdig mittelalterlich und fehl am Platze wirkten.
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken«, entschuldigte er sich. »Ich dachte nur, wenn Sie nach Eddie suchen – er ist nicht mehr da.«
    Er war jetzt nahe herangekommen, nahe genug für mich, um rotbraunes Haar und graue Augen erkennen zu können, eine Kombination, die irgendwie so typisch schottisch ist. Er lächelte ein freundliches Lächeln, das zu der Stimme paßte.
    »Sind Sie eine Freundin von Eddie?« fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Eine Verwandte also.«
    »Nein.« Immerhin wurde ich ein wenig rot. Ein Gefühl sagte mir, daß meine Geschichte mit der Autopanne vor diesen intelligenten grauen Augen nicht bestehen würde. »Nein, ich kenne den Besitzer nicht. Wissen Sie, ob er bald zurückkommt?«
    Der Mann neigte den Kopf zur Seite und maß mich mit einem langen, nachdenklichen Blick, der mich sehr an meinen Bruder erinnerte.
    »Ich hoffe nicht«, sagte er ruhig. »Wir haben ihn letzten Monat begraben.«
    »Oh, das tut mir leid.« Ich wurde noch röter. »Das tut mir wirklich leid.«
    »Ist schon in Ordnung.« Er zuckte die Achseln. »Sie schnüffeln also nur ein bißchen herum?«
    Mein Gesicht war mittlerweile feuerrot, und ich hatte den Eindruck, daß er mein offensichtliches Unbehagen genoß. Es dauerte eine Weile, aber schließlich begriff ich die volle Bedeutung dessen, was er mir gerade gesagt hatte, und meine Verlegenheit war auf einmal vergessen.
    Schnell hob ich den Blick wieder. »Steht das Haus dann zum Verkauf?«
    »Ja. Wollten Sie es sich ansehen?«
    »Ich will es kaufen. Ich habe fünfundzwanzig Jahre lang auf dieses Haus gewartet.«
    Der Mann hob eine rotbraune Augenbraue, und aus irgendeinem absurden Grund hörte ich mich die ganze »Das Haus und ich« überschriebene Geschichte hervorsprudeln, die er sich mit bewundernswerter Geduld anhörte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sie besonders interessant fand. Als ich meine kindische Erzählung beendet hätte, traf sein gelassener Blick zum zweitenmal auf meinen, und die Ähnlichkeit mit meinem Bruder trat noch deutlicher hervor.
    »Ja dann«, sagte er ernsthaft, »sollten Sie Mr. Ridley in der Dorfstraße aufsuchen. Ich habe meine eigenen Zweitschlüssel nicht dabei, sonst würde ich Sie selbst herumführen.« Er zog einen Lederhandschuh aus und streckte mir die Hand entgegen. »Ich heiße übrigens Iain Sumner.«
    »Julia Beckett.« Mein Gesichtsausdruck mußte sich beim Anblick seiner Hand verändert haben, denn er lächelte wieder und blickte auf die winzigen Rißwunden, die seine Haut verunstalteten.
    »Brombeerhecken«, erklärte er. »Sie überwuchern meinen Garten, wenn ich sie nicht zurückschneide. Es tut nicht weh«, versicherte er mir und zog den Handschuh wieder an. »Ich mache mich jetzt besser wieder an die Arbeit. Viel Glück mit dem Haus.«
    »Danke«, antwortete ich, aber er war schon außer Hörweite.
    Fünf Minuten später saß ich im Büro von Ridley und Stewart, Immobilienmakler. Ich muß gestehen, daß ich nicht mehr viel von diesem Nachmittag weiß. Ich erinnere mich wohl verschwommen an ein verwirrendes Gespräch, bei dem Mr. Ridley ausführlich über juristische Fragen, Abtretungsurkunden, Grundbucheinträge und Ähnliches sprach, aber ich hörte nicht richtig zu.
    »Sind Sie ganz sicher«, fragte Mr. Ridley, »daß Sie das Objekt nicht zuerst besichtigen wollen?«
    »Ich habe es schon gesehen«,
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