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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition)
Autoren: Susanna Kearsley
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Weg zurück zur Hauptstraße erklären zu lassen.
    Ich war so sehr in meine Überlegungen dazu versunken, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, sich zweimal an dieselbe Stelle zu verirren, daß ich völlig vergaß, jemanden nach dem Namen des Örtchens zu fragen.
    Es sollten weitere acht Jahre vergehen, ehe ich wieder in Exbury, Wiltshire, landete.
    Bei diesem letzten und entscheidenden Mal war es Anfang April, zwei Monate vor meinem dreißigsten Geburtstag, und ausnahmsweise hatte ich mich nicht verfahren. Ich lebte immer noch in London, in einer kleinen Mietwohnung in Bloomsbury, in der ich trotz einer unerwartet großzügigen Erbschaft von Vaters Tante Helen, die wir damals in Exeter besucht hatten, Wurzeln geschlagen hatte. Tante Helen hatte mich nur zweimal gesehen, und daher war es mir ein Rätsel, warum sie gerade mir einen solch unanständig großen Geldbetrag vermacht hatte. Vielleicht lag es daran, daß ich das einzige Mädchen in einer Familie mit vorwiegend männlicher Nachkommenschaft war. Tante Helen hatte nach Aussage meines Vaters konsequent feministische Ansichten vertreten. »Ein Zimmer für dich allein«, sagte Tom zu mir in überzeugtem Tonfall. »Das hat sie dir vermacht. Hast du nie Virginia Woolf gelesen?«
    Von dem Geld konnte ich mir in Wirklichkeit etwas mehr als ein Zimmer leisten, aber ich hatte noch nicht die geringste Vorstellung, was ich konkret damit anfangen sollte. Tom hatte sich strikt geweigert, die Erbschaft mit mir zu teilen, und meine Eltern versicherten mir, kein Geld zu brauchen, da es ihnen auch nach dem Ausscheiden meines Vaters aus seinem Beruf als Chirurg finanziell gut gehe. Damit war das Thema erledigt.
    Meine Zeit war zudem reichlich ausgefüllt, denn ich hatte mich beruflich neu orientiert und von Graphikdesign zur Buchillustration gewechselt, ein Gebiet, das ich sowohl interessanter als auch lukrativer fand. Durch einen glücklichen Zufall wurde ich gleich zu Anfang mit einer ausgesprochen talentierten Autorin zusammengebracht, und unsere gemeinsame Arbeit an einer Reihe von Kindergeschichten hatte mir einen guten Namen in der Branche und ein gesichertes Einkommen verschafft. Gerade in diesen Tagen hatte ich den Auftrag erhalten, eine umfangreiche Sammlung von Legenden und Märchen aus der ganzen Welt zu illustrieren, ein Projekt, das ich sehr aufregend fand und das mir genügend Arbeit für beinahe ein Jahr verschaffte. Es konnte mir nicht besser gehen.
    Normalerweise hätte ich mein Glück mit meiner Familie zusammen gefeiert, aber da meine Eltern sich am anderen Ende der Welt auf Urlaub befanden und Tom mit den Ostergottesdiensten beschäftigt war, hatte ich die nächstbeste Möglichkeit gewählt und das Wochenende mit Freunden in Bath verbracht. Am Montagmorgen war der Verkehr auf der Hauptstraße zu dicht für meinen Geschmack, weshalb ich einen Schlenker nach Norden machte und den sanften Biegungen des Flusses Kennet in Richtung London folgte.
    Es war ein noch kühler, aber wunderschöner Frühlingstag, und die Blattknospen der Bäume am Straßenrand entfalteten sich mit fast tropischer Intensität. Der Jahreszeit zu Ehren fuhr ich mit heruntergekurbelten Fenstern, die Luft roch würzig nach Erde und Regen und Wachstum.
    Mein altersschwacher, aber verläßlicher Peugeot erklomm mit protestierendem Schnaufen einen kleinen Hügel. Wieder an Geschwindigkeit gewinnend, lenkte ich den Wagen in eine ausladende Kurve, nach der die Straße hinunter in ein flaches Tal führte, ehe sie den Kennet auf einer schmalen Steinbrücke überquerte. Als ich über die Brücke holperte, spürte ich das leichte Prickeln einer vagen Vorahnung im Nacken, und meine Hände umfaßten das Lenkrad fester.
    Das Überraschendste war, daß ich diesmal überhaupt nicht überrascht war, das Haus zu sehen. Irgendwie hatte ich fast erwartet, darauf zu stoßen.
    Ich verlangsamte auf Schrittempo, fuhr an den Straßenrand und hielt genau gegenüber der langen kiesbedeckten Auffahrt. Eine riesige, rötlichgelbe Katze stolzierte hochmütig über die Straße, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, und verschwand im wogenden Gras. Dreimal in einem einzigen Leben, sagte ich mir, waren auch ohne die Katze eindeutig zuviel für einen ganz normalen Zufall.
    Der Besitzer des Hauses würde doch sicher nichts dagegen haben, wenn ich mich mal ein klein wenig umsah …? Während ich noch zögernd auf meiner Lippe kaute, flog von dem Feld nebenan ein Schwarm Stare in einer flügelschlagenden Wolke auf,
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