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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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fällt mir nicht ein, denn ich bin immer noch benommen vom plötzlichen Stimmungsumschwung
    meines Schwiegervaters. Außerdem steigt mir Jür-
    gens Barolo zu Kopf. Kein Wunder: Barolo auf nüch-
    ternen Magen um halb drei.
    »Weißte du, Sara iste eine bisschen delikat, eine
    eikle Person, möchte ich faste sagen und betonen,
    iste sie nett, aber diffizil in Umgang.«
    Worauf will er hinaus?
    »Ihre Schwester iste anders, feiner, bisschen netter auch. Warum willste du nicht Lorella heiraten?«
    »Papa!«, ruft Sara empört.
    »Ja, iste nichte wahr, Mama?«
    Mama lacht und schaut mich an. Was sagt man
    denn darauf?
    »Ja, Lorella ist leider schon vergeben, da habe ich mich eben notgedrungen für Sara entschieden.«
    Daraufhin bricht Antonio in ein dampflokartiges
    Gelächter aus, er kann sich gar nicht mehr beruhigen.
    »Das iste guuut. Biste du witzig. Du haste eine
    Satire gemachte. Großartig. Mama, haste du gehört?«
    Er prostet mir mit Jürgens Wein zu und wir trin-
    ken. Eine Minute später bin ich besoffen.
    Der Rest des Tages steht voll im Zeichen der Fami-
    lieneinführung. Die Verwandten in Italien müssen
    reihum angerufen werden. Alle sollen die freudige
    Nachricht erfahren. Anschließend sehen wir Fotoal-
    ben an. Antonio als Kind, Sara als Kind, Urlaub am
    Strand, Taufe, Hochzeiten, neue Autos.
    Dann gehen wir essen, denn nicht nur die Italiener
    in der Heimat, sondern auch alle Bekannten im Ort
    sollen erfahren, wie glücklich Antonio ist. Wie stolz.
    Mein Trunkenheitsgrad führt dazu, dass ich willen-
    los alle Vorstellungsrunden über mich ergehen lasse, außerdem mehrere Runden Grappa und Bitterliköre.
    Als wir ins elterliche Haus zurückkehren, will ich
    nur noch ins Bett. Vorher jedoch kredenzt Antonio
    einen ausgezeichneten Vin Santo aus Jürgens Samm-
    lung. Der Hausherr hat ihn selbst ausgesucht.
    Wir liegen schließlich in Saras Kinderzimmer,
    einem kleinen holzvertäfelten Raum unterm Dach.
    Das Bett ist so schmal, wie ich breit bin, aber was soll’s. Ich bin so glücklich, wie man im Rausch nur sein kann. Heute bin ich sechshundert Kilometer mit dem Auto gefahren, habe große Mengen Alkohol
    getrunken, um die Hand einer Halbitalienerin
    angehalten, alles über Oliven und Pecorino-Käse
    erfahren und Antonio kennen gelernt. Und: Ich habe
    noch alle Finger an der Hand.
    »Und? Wie findest du sie?«, will Sara von mir
    wissen.
    »Nett. Ist dein Vater immer so?«
    »Habe ich dir doch erzählt. Jedenfalls liebt er dich, das ist die Hauptsache.«
    »Woran merkst du das denn?«
    »Er ist wirklich glücklich.«
    In diesem Moment geht die Tür auf. Toni im
    Schlafanzug.
    »I wollte nur buona notte sagene.« Er hebt den Daumen und zwinkert mir zu. »I bin so gluckliche,
    dasse i eine neue Sohn habe.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, schließt er die Tür.
    »Siehst du, er meint es ernst.«
    »Das ist schön. Geht er jetzt ins Bett?«
    »Schwer zu sagen. Manchmal bleibt er die ganze
    Nacht auf und läuft im Haus herum.«
    »Warum das denn?«
    »Er ist so aufgeregt und dann kann er nicht
    schlafen. Bist du müde?«
    Ach, bin müde, so müde, mein Kopf sinkt auf ihre
    Brust und die Augen schließen sich ganz sanft und
    schwer. Sara krault mir den Hinterkopf. Das ist
    schön.
    Tür auf. Toni.
    »Habte ihr die Eizung anne?«
    »Ach Papa ! «
    »I wollte nur mal kontrolliere, ob alles gut iste fur die Nacktruhe. Musse man achten für die Schlafe.«
    Er geht zur Heizung und nestelt an dem Drehknauf
    herum. Er öffnet das Fenster, denn »combina-zione von warme Temperatur und frische Lüfte ist Beste
    von Beste für gesunde Schlaf«. Grazie. Prego.
    Danach schlafe ich einen traumlosen Schlaf. Ich
    kann nicht mit Gewissheit sagen, ob und wenn ja,
    wie oft Antonio noch hereingekommen ist. Sara
    behauptet, nur vier Mal.
    Am nächsten Morgen passt mein Kopf nicht durch
    die Tür. Ich bewege mich seitwärts ins Bad und be-
    wundere mich für meinen Atem, der nach Frosch-
    tümpel riecht.
    Das Badezimmer von Herrn und Frau Marcipane
    sieht aus wie das Wohnmobil von Siegfried und Roy.
    Lachsfarbene Kacheln und goldene Armaturen,
    wohin man blickt. Neben dem Spiegel mit dem
    goldenen Rahmen hängen auf jeder Seite zwei
    brokatige und ansonsten funktionslose Bommel. Die
    Waschbecken – es gibt zwei davon – haben die Form
    von Muscheln. Es riecht nach Agua Brava.
    Ich versuche, mich in Form zu bringen, was mir
    passabel gelingt. Heute ist noch eine Hürde zu neh-
    men. Wir müssen nämlich auch zu meinen Eltern.
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