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Marathon Mosel

Marathon Mosel

Titel: Marathon Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Gründe, aber er musste aufpassen, dass er sich nicht auch noch unnötigen dienstlichen Stress einhandelte.
    »Können Sie bitte mal zu mir kommen? Just in a minute?«
    Walde schaute auf die digitale Anzeige seiner Sportuhr. Seit er praktisch jeden Tag trainierte, lag seine alte analoge Uhr, die er sonst jeden Abend vor dem Schlafengehen aufgezogen hatte, vergessen in der Schublade seines Nachtschränkchens.
    »Herr Bock?«, fragte der Polizeipräsident nach.
    »Ich komme sofort.«
    »All right.«
    Es war kurz vor acht Uhr. Noch kein Kollege aus seinem Dezernat war da, aber seltsamerweise Polizeipräsident Stiermann, der sich für gewöhnlich nie vor neun Uhr blicken ließ. Als Walde seinen Stuhl zurückschob, flog der Vogel von der Fensterbank auf.
     
    Im gleichen Moment, in dem Walde die Klinke zum Vorzimmer des Präsidenten herunterdrückte, füllte das Mahlgeräusch der Espressomaschine den Raum. Polizeipräsident Stiermann wandte ihm den Rücken zu. Auf dem Schreibtisch der Vorzimmerdame stand die kleine Messinggießkanne mit dem schmalen Ausguss auf dem Terminkalender.
    Walde blieb an der Tür stehen und beobachtete seinen Chef, der seinerseits zusah, wie Kaffee, von allerlei Pump- und Zischgeräuschen begleitet, in zwei Tassen lief. Irgendwas stimmte nicht, aber Waldes Aufmerksamkeit hatte noch keine Tagesform erreicht.
    »Morgen!«, wiederholte Walde seine Begrüßung.
    »Morgen, Herr Bock.« Stiermann drehte sich mit zwei Tassen in der Hand um.
    »Ab heute wird Ihr Dezernat wieder über eine weitere Kraft verfügen.«
    »Endlich!«, kommentierte Walde, obwohl er längst Bescheid wusste. Sein Kollege Harry war bei einer versuchten Festnahme so schwer verletzt worden, dass er fast zwei Jahre dienstuntauglich gewesen war und beinahe in die Frühpension entlassen worden wäre.
    »Kaum ist ein Problem gelöst, tun sich die nächsten auf«, fuhr Stiermann fort.
    Walde wusste, was sein Gegenüber meinte. Bisher war es ihm nicht gelungen, eine weitere Planstelle für seine Abteilung zu bekommen. Für Harry musste über kurz oder lang ein anderer Kollege weichen. Bald stand die Entscheidung an, ob es Gabi sein sollte, die für Harry von der Sitte gekommen war, oder ob Grabbe in ein anderes Dezernat versetzt werden würde. Aber vorher sollte herausgefunden werden, ob Harry überhaupt noch fit genug für die Mordkommission war.
    »Was macht die Form?«, unterbrach Stiermann Waldes Gedanken.
    »Sonntag. Sie haben sich doch auch angemeldet?«, half der Polizeipräsident nach.
    »Ach so, der Marathon.« Walde klang überrascht. Dabei hatte der Gedanke an den bevorstehenden Lauf in den letzten Tagen alles andere in seinem Kopf mehr und mehr zurückgedrängt. Der Lauf schien unablässig über ihm zu schweben wie das Damoklesschwert einer bevorstehenden schweren Operation oder eines komplizierten Mordfalls, bei dem die Gefahr bestand, dass der Täter erneut zuschlagen könnte.
    »All right. Um zehn ist ein Treffen der Organisatoren im Rathaus. Könnten Sie mich begleiten?« Stiermann bemerkte Waldes fragenden Blick. »We have a problem. Ich kann mich auf Ihre Diskretion verlassen?«
    Als Walde nickte, erhob sich der Präsident: »Ich hole Sie dann ab. See you.«
     
    Bis auf den Flur drang das Geplauder. Die Kollegen in seinem Büro nahmen zuerst keine Notiz von ihm. Gabi, Grabbe, Monika und Robert prosteten Harry mit Sektgläsern zu.
    »Wie immer, genau zum richtigen Zeitpunkt!« Gabi stöckelte Walde entgegen und drückte ihm ein Sektglas in die Hand.
    »Prost, Harry.«
    Als Walde das Glas abstellte, umarmte er seinen endlich zurückgekehrten Kollegen, der sichtlich bewegt über den kleinen Empfang war.
    »Kommst du gleich mit zum Rathaus?«, fragte Walde.
    »Was ist passiert? Ich möchte zwar nicht schon am ersten Tag meinem verehrten Kollegen Grabbe eine Wasserleiche wegschnappen …«
    »… her mit den fünf Euro.« Grabbe tippte Gabi auf die Schulter. »Du hast verloren. Es hat keine zehn Minuten gedauert, bis Harry wieder davon angefangen hat.«
    »Einen Moment, Schätzchen.« Gabi kramte in ihrer geräumigen Handtasche.
    »Was geht hier vor?«, erkundigte sich Walde.
    »Grabbe hat gewettet, dass es keine zehn Minuten dauert.«
    Mit spitzen Fingern überreichte Gabi Grabbe den Geldschein.
    »Zehn Minuten bis was?«
    »Bis Harry ihn verarschen wird.«
    *
    Auf dem Weg vom Parkplatz ins Rathausfoyer bemerkte Walde, dass Harry immer noch leicht hinkte.
    »Bis du schon mal mit dem neuen Kasten gefahren?«, Walde deutete
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