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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner
Autoren: J Hagedorn
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war’s, dass solchen Frauen Lieder gewidmet wurden, und alles nur wegen ihrer Namen. Julia. Angie. Sogar Mandy. Die Glücklichen. Mir würde schon allein deshalb keiner einen Song schreiben, weil mein Name sich nicht gut sang. Und sich nichts auf Evke reimte.
    Das Sitzen klappte schon mal ganz gut. Dann konnte ich ja vielleicht doch ganz aufstehen. Ich ignorierte das hämische Gelächter der Kopfkobolde und hievte meine Beine über die Sofakante, eines nach dem anderen und sehr vorsichtig, als handelte es sich um Pakete mit zerbrechlichem Inhalt. Dann schlappte ich zur Kochnische.
    Wenn das Sofa schon deprimiert war, dann war die Kaffeetasse neben der Spüle ein ausgewachsener Selbstmordkandidat. Melli hatte sie mir mal aus den USA mitgebracht, »I love New York«, mit einem großen roten Herzen zwischen »I« und »New York«. Leider war das Herz weniger spülmaschinenfest als der Rest der Schrift und deswegen unlängst verblichen. Seitdem wusch ich die Tasse mit der Hand. Als ob das noch etwas genützt hätte. Was für ein trostloser Tag. Und wenn ich an den Abend dachte, wurde meine Laune auch nicht besser. Im Gegenteil.
    Der gestrige Abend war schon verschwendete Zeit gewesen, und ausgerechnet heute, am Samstag, fand auch noch die alljährliche Sunny-Side-Party in der Kantine unserer Firmenzentrale statt. Ich würde mir stundenlang die sambatanzende Trulla aus der Lohnbuchhaltung anschauen müssen und meinen Chef, der sich unheimlich wild und verboten fühlte, weil er sich eine Sonnenbrille ins Haar geschoben hatte. Anna behauptete, die Sonnenbrille wäre ein Implantat, aber ich wusste es besser. Ich hatte ihn auch schon ohne gesehen, wenn auch nicht oft. Der Abend würde ein Trauerspiel werden, in mindestens fünf Akten und selbstverständlich unbezahlt. Na denn prost!

    Ich verbrachte den ganzen Tag damit, zwischen Dauerwerbesendungen im Fernsehen hin- und herzuzappen und keine Lust auf den Abend zu haben. Eine erstaunlich zeitraubende Kombination. Irgendwann landete ich aus Versehen auf einem öffentlich-rechtlichen Kanal und erblickte den Countdown zur Tagesschau. Als ich eine halbe Stunde später den Bus bestieg, fühlte ich mich, als sei ich auf dem Weg zum Nachsitzen.
    Wer fuhr schon freiwillig am Samstagabend ins Büro? Millionenschwere Investmentbanker vielleicht. Bei meinem Kontostand war das Ganze eine Zumutung. Allein deshalb, weil wegen der allgemeinen Sparwut das Catering mit jedem Jahr schlechter geworden war. Früher hatten Anna und ich unseren Unmut wenigstens mit einem Thai-Büfett besänftigen können. Letztes Jahr hatte es nur noch Würstchen, Kartoffel- und Krautsalat mit Speckwürfelchen gegeben. Was wohl diesmal übrig bleiben würde? Wahrscheinlich nur noch der Krautsalat. Ohne Speckwürfelchen.
    Ich bummelte durch die ausgestorbene Fußgängerzone und hielt bei jedem Schaufenster an. An der nächsten Ecke erwartete mich das vertraute Gegröle der Einkaufszentrumpunks, die auf einem Mäuerchen saßen und ihr Feierabendbier tranken. Samstag war ihr wöchentlicher Hauptsaisontag beim Schnorren, weil dann besonders viele von diesen verschreckten Vorort-Muttchen in ihren beigen Jacken unterwegs waren. Die trauten sich einfach nicht, Nein zu sagen. Für die Punks gab es dann abends eine Party, und die letzte Dose opferten sie gemeinsam dem Haarstyling der nächsten Woche.
    Der Leierkastenmann, der sonst vor dem Einkaufszentrum stand, hatte Gott sei Dank schon Feierabend gemacht. Letzten Sommer hatte er mich mit seinem weithin hörbaren Gedudel so weit gebracht, dass ich nachts von Lili Marleen träumte. Es waren keine angenehmen Träume gewesen.
    Als ich das Bürogebäude betrat, roch es verdächtig nach Jugendherbergsküche. Und damit nicht genug, drängelte sich auch noch Ilona Patricia Seitermann, genannt IPS, direkt hinter mir in die Drehtür.
    IPS war unsere Pressesprecherin. Außerdem war sie schwanger. Auf ihrer Visitenkarte stand nur das Erste, doch je mehr sie an Umfang
zulegte, umso mehr hatte sich ihr Tätigkeitsprofil verschoben. Mittlerweile war das Mutterwerden zum Vollzeitjob geworden. Am liebsten hätte ich ein Schild an ihrem Büro aufgehängt: Bitte nicht stören, hier wird gebrütet!
    Solange nun wirklich noch nichts zu sehen gewesen war, hatte sie mit »Baby Inside!«-Shirts für die notwendige Information gesorgt – war ja ihr Job, Dinge kurz und knapp auf den Punkt zu bringen. Später sprach sie bei geöffneter Tür so lautstark mit ihrer Assistentin über ihre
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