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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner
Autoren: J Hagedorn
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verbieten konnte, mit Plüschnilpferden zu schlafen. Oder wenigstens nur ein sehr kleiner.
    »Also, Durchgangszimmer gehen gar nicht«, ereiferte sich gerade eine Kollegin von Melli, »und zwei Buchsen sind auch wichtig.«

    Ich wusste genau, was als Nächstes kommen würde. Gleich würde Anna wieder von ihrer hundertjährigen Wohnungssuche mit Tobi berichten. Die hatte es in sich, vor allem, weil Tobi ganz bestimmte Vorstellungen von elektrischen Anschlüssen hatte. Statt sich über Dachterrassen zu freuen oder über geschmackvoll blau-weiß gekachelte Küchen, ging er bei jeder Besichtigung mit gesenktem Kopf durch die Räume und verkündete schließlich kopfschüttelnd, dass hier leider weder die TV-DVD-Kombi noch die Anlage ihren mindestens fünfdimensionalen Sound zur Geltung bringen konnten.
    »Besitzt Tobi ein Verkehrsschild?«, fragte ich unvermittelt in die Runde, und Anna sah mich verdutzt an.
    »Ja! Aus Australien! Ein Krokodil-Warnschild! Und er will es unbedingt wieder an der Badezimmertür anbringen. Dabei passt es überhaupt nicht zu den Wand-Tattoos, die ich neulich entdeckt habe! Die sind wirklich schön, indische Weisheiten in Sanskrit.«
    »Will jemand Wein?«, erkundigte ich mich. Es war die pure Höflichkeit. Längst war mir klar: Diese Flasche und ich, wir würden es heute Abend noch sehr lustig miteinander haben.

ANULOMA VILOMA
    Anuloma Viloma, die Wechselatmung, ist eine hervorragende Technik gegen innere Unausgeglichenheit. Täglich ausgeführt, führt diese Atemübung zu einem Zuwachs an innerer Stärke und Kraft.

    Melli, Nadine und Anna hatten vielleicht in letzter Zeit keinen besonders treffsicheren Geschmack. Aber eines musste man ihnen lassen, sie hatten etwas, das ich nicht hatte.
    Männer.
    Melli und Anna hatten immer dieselben: Spaßbremse Steve und Technikspinner Tobi. Nadine hatte alle zwei Monate einen neuen. Die Namen merkten wir uns selten.
    Mit den Männern und mir war das so eine Sache. Mit vierzehn, fünfzehn Jahren, als ich anfing, mich für sie zu interessieren, dachte ich: Das ist ganz leicht. Wichtig ist nur, wie du aussiehst und was du sagst. Eine Gleichung, für die man nicht Atomphysik studiert haben musste.
    Mag sein, dass das damals sogar stimmte. Aber genau genommen waren es ja damals auch noch keine Männer, sondern picklige Kinder, die heimlich die gleichen Ratgeberseiten in den gleichen Teeniezeitschriften lasen wie wir. Mädchen sollten sich nicht zu grell schminken und eine eigene Meinung vertreten, Jungs sollten nicht vergessen, nachzufragen.
    Das lernten wir auswendig wie die Zehn Gebote im Religionsunterricht. Es war ja auch weit weniger. Deshalb klappte es auch
halbwegs mit der Kommunikation bei unseren Eisdielendates: »Was fürn Film hast du in letzter Zeit gesehen?« (er), »Diesen neuen mit Brad Pitt, ich fand den aber irgendwie nicht so gut« (sie). Danach hielten wir Händchen und gingen miteinander, meistens drei Wochen lang, manchmal auch drei Monate.
    Schöne, übersichtliche Zeiten.
    Nur, dass irgendwann Männer wurden aus den Jungs und Frauen aus den Mädchen. Und ich begreifen musste: Das alles war gar nicht so einfach.
    Es fing schon beim Aussehen an.
    Mit zwanzig hielt ich es zum Beispiel für eine gute Idee, beim Ausgehen wenig mehr als die Körperteile zu bedecken, die selbst für amerikanische Stripperinnen gesetzlich vorgeschrieben waren. Da hatte ich dann plötzlich nicht nur alle drei Wochen, sondern alle drei Tage einen neuen Freund. Auch nicht das, was ich wollte. Mit zweiundzwanzig, als ich die Ausbildung bei Sunny Side Reisen beendet hatte und meinen ersten Job anfing, lief ich selbst im Nachtleben nur noch im Hosenanzug herum. Da sprachen mich manchmal Studenten an und fragten mich, ob ich nicht ein Praktikum für sie hätte. Oder ob ich ihr Bier bezahlen würde.
    Jetzt, mit achtundzwanzig, hatte ich es wohl einigermaßen raus. Ich sah nicht mehr aus wie die Zweitbesetzung eines B-Movies. Und auch nicht mehr wie auf dem Cover eines Karriereratgebers. Ich wusste, was mir stand, und zwischen den Höhen und Niederungen der menschlichen Schönheit befand ich mich in einer angenehmen Mittelgebirgslage. Beileibe nicht so hübsch wie Nadine. Wenn die vorbeiging, drehten sich sogar Männer um, während sie ihre Freundin an der Hand hielten. Aber ich war auch nicht so unansehnlich, dass mich Privatsender für Shows über kosmetische Chirurgie gecastet hätten.
    Das hatte sehr viel Gutes: Ich konnte es nämlich selbst ganz gut steuern, ob
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