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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner
Autoren: J Hagedorn
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ich da zweimal die Woche hingehe.«
    »Jetzt, wo du es sagst …«, bemühte ich mich und blickte anerkennend auf Mellis Po.
    Sie sah mich zweifelnd an.
    »Du hast wirklich abgenommen, Melli«, bekräftigte ich meine Behauptung noch einmal. »Das sieht man vor allem in dieser Hose.«
    Melli schien hart mit sich zu kämpfen. Und als gute Freundin verlor sie den Kampf. Wahrscheinlich wollte sie genauso wenig Streit anfangen wie ich. Wenn ich nicht morgen ein klärendes Gespräch führen wollte – und Mellis klärende Gespräche waren über die Stadtgrenzen
hinaus gefürchtet –, dann musste ich meinen Versöhnungskurs noch verschärfen. Und zwar deutlich.
    »Weißt du was«, ich stellte mein halb volles Glas neben die Küchenspüle und legte vertraulich eine Hand auf ihren Arm, »lass uns mal wieder zu den anderen gehen. Ich möchte doch zu gern wissen, was es auf sich hat mit, äh, mit dem Zungenschaber.«
    »Ach, na ja«, endlich lächelte Melli wieder, »so abendfüllend ist das ja nun auch wieder nicht.«
    »Wer leitet denn deinen Yogakurs? Dein Fitnesstrainer?«, erkundigte ich mich versöhnlich und unterdrückte ein erneutes Kichern. Wahrscheinlich band sich einer der Muskelmänner einmal die Woche ein Batiktuch ins Haar und zündete ein Räucherstäbchen an.
    »Ach«, Melli machte eine fahrige Bewegung und riss dabei fast mein Glas um, »das macht der Siv.«
    »Was ist denn das für ein Name, Siv? Wo kommt der her?«
    »Weiß nicht genau. Nordseeküste, glaub ich.«
    »Ein Friese namens Siv? Heißen die nicht alle Hauke Petersen?«
    »Na ja«, Melli fegte träumerisch ein paar Krümel von der Arbeitsplatte in ihre Hand, »eigentlich ist das ja auch nicht sein richtiger Name.«
    »Sondern?«
    »Sivananda.«
    Ehe ich darauf antworten konnte, hatte sich Melli schon umgedreht und strebte in Richtung Küchentür. »Komm, lass uns über etwas anderes reden«, sagte sie betont munter, »interessiert dich ja nicht so.«
    So konnte man das nun auch nicht sagen. Da war etwas in Mellis Gesicht gewesen, das mich sogar brennend interessierte. Eine Nervosität, die ich lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte. Aber sie hatte die Küche bereits verlassen. Ich griff nach Glas und Flasche und trabte hinterher. Melli stand wieder im Wohnzimmer und blickte verwundert in ihre Hand. Die Küchenkrümel waren immer noch da.
    Jetzt, wo ich liebend gern auf das Yogathema zurückgekommen wäre, hatte ich kein Glück mehr. Die ganze Partygesellschaft hatte sich etwas anderem zugewandt. Allerdings waren sie genau dort gelandet,
wo ich befürchtet hatte. Im Pärchenland. Bei Pärchenangelegenheiten. Und ich dachte, wenigstens das würde mir bei einer rein weiblichen Gästeliste erspart bleiben.
    Die letzten Partys hatten mich nämlich zunehmend frustriert. Spätestens dann, wenn der erste Bierkasten in der Badewanne leer geworden war und ehemalige Nichtraucher vereint auf den Balkon zogen, um in Kronkorken zu aschen. Egal, wohin man schaute: Pärchen. Pärchen feierten Pärchenpartys, hielten pärchenhaft Händchen und schauten pärchenhaft drein. Natürlich redeten sie auch nur über Pärchenthemen. Und die konnte ich allmählich mitsingen. In letzter Zeit vor allem den Smash-Hit »Wir suchen uns eine Wohnung«. Allesamt waren sie entweder gerade zusammengezogen, suchten noch die passende Bleibe oder wussten von einem anderen Paar, das gerade so etwas plante.
    Das Zusammenziehen war eine Quelle unendlicher Heiterkeit, jedenfalls für alle, die nicht unmittelbar davon betroffen waren. In den Charts der besten Umzugswitze stand das Thema »persönliche Schätze« auf den obersten Rängen. Männer, so hörte ich, wollten sich nicht von ihrer Biberbettwäsche mit Fußballvereinslogo trennen, Frauen hielten eisern an ihrer Kerzenhaltersammlung fest. Außerdem besaß scheinbar jeder Mann ein Verkehrsschild, das er nach einer Sauftour mit seinen Kumpels irgendwo am Straßenrand ausgegraben hatte und das die Frauen auf keinen Fall an der Wohnzimmertür in ihrer gemeinsamen Wohnung hängen haben wollten. Und jede Frau ein rosa Plüschnilpferd, das nicht im gemeinsamen Bett schlafen durfte.
    Ich hatte noch nie einen Mann mit Verkehrsschild kennengelernt. Vielleicht war das der Fehler. Vielleicht erkannte man die guten Männer ja daran, dass sie irgendwo ein Vorfahrtszeichen in ihrem Appartement hängen hatten. Irgendetwas, das zeigten mir diese Partygespräche jedenfalls sehr deutlich, machte ich falsch. Da war es auch kein Trost, dass mir niemand
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