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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
Autoren: Walter Mosley
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Building zwischen der 6 th und der 7 th Avenue.
    »Hallo, Mr. McGill«, begrüßte mich Warren Oh. Warren war einer der Wachmänner, die wochentags hinter einem Podium aus grün-weißem Marmor unter einer Wandplastik aus dunkelrotem und weißem Stuck in der Lobby des schönsten Art-Deco-Gebäudes der Welt standen.
    Das Relief stellte große klobige Männer und Frauen dar, die unter einem romanisch anmutenden Bogen hindurch spazierten oder marschierten, der sich vor einem azurblauen Himmel aus Kacheln abhob. Sie waren alle weiß, doch das konnte ich als rassische Wunscherfüllung der Dreißiger hinnehmen.
    »Hallo, Warren«, grüßte ich zurück. »Ich hab Sie eine Weile nicht gesehen. Wo waren Sie?«
    »Unten in der Heimat. Meine Mutter war krank.«
    »Wie geht es ihr jetzt?«
    »Gut, gut. Danke der Nachfrage, Mr. McGill.«
    »Und was machen die Kinder?«
    »Die machen sich gut, Sir. Mein Junge hat einen Platz auf dem College bekommen, und Mary ist guter Hoffnung.«
    Warren war gebürtiger Jamaikaner. Seine Mutter war schwarz, sein chinesischer Vater Abkömmling einer langen Linie ergebener Diener. Warren hatte ein schönes Gesicht und treue Augen. Jedes Mal wenn ich ihn sah, dachte ich, dass er einen großartigen Betrüger abgeben würde. Man musste ihm einfach vertrauen.
    »Miss Ullman sucht Sie, Sir«, sagte der kupferfarbene Wachmann.
    »Oh?«
    »Sie hat gesagt, ich solle Sie bitten, in ihr Büro zu kommen.«
    »Sie hat gesagt, Sie sollen mich bloß bitten?«
    Warren zuckte die Achseln, und ich lächelte.
    Die Bürosuite im Tesla Building war der Gipfel meines beruflichen Lebens.
    Der alte Verwalter Terry Swain hatte jahrelang Geld aus der Rücklage für den Gebäudeerhalt abgezweigt, nie viel auf einmal, aber im Laufe von sechsundzwanzig Jahren war eine beträchtliche Summe zusammengekommen. Als mein Mietvertrag im Empire State Building auslief, fragte ich ein wenig herum und fand heraus, dass die neuen Besitzer des Tesla Building wegen der Unterschlagung von 171 000 Dollar gegen Swain ermittelten. Ich hörte mich ein bisschen um und ging dann in sein Büro im einundachtzigsten Stockwerk.
    Terry war groß und dünn, sein Haar auch mit einundsechzig noch sandfarben. Ich bin mit dreiundfünzig schon dreiviertel kahl und halb grau.
    »Hallo, Mr. Swain, ich höre, Sie haben Probleme«, lauteten meine ersten Worte.
    »Ich doch nicht«, sagte er mit einem wenig überzeugenden Lächeln.
    »Nicht? Das ist schade, denn ich bin der Typ, zu dem man geht, wenn der Hammer fällt und man zusehen muss, wie man wegkommt.«
    Seine Augen glänzten feucht, vielleicht sogar hoffnungsvoll.
    »Wer sind Sie?«, stammelte er.
    »Peter Cooly hat hier mit Ihnen gearbeitet, richtig?«, erwiderte ich und wies auf den leeren Schreibtisch in der Ecke.
    »Peter ist tot.«
    »Ja. Ist im letzten März gestorben. Der zweite Herzinfarkt innerhalb von zwei Monaten. Sein letzter Arbeitstag war der 9. Februar.«
    »Und?«
    »Hatte er Zugang zu den Büchern und Konten?«
    Terry Swain hatte graue und ungemein ausdrucksstarke Augen. Sie weiteten sich, als würde er nur Zentimeter außerhalb seiner Reichweite das Seil sehen, das ihn retten konnte.
    »Pete war ehrlich.«
    »Das war er. Aber er war auch ein Einzelgänger. Keine Eltern, keine Ehefrau, nicht mal eine Freundin.«
    »Und?«
    »Haben Sie Geld, Terry?«
    »Wie heißen Sie?«
    »Leonid McGill. Jimmy Pine schickt mich.«
    Jimmy war ein Buchmacher, Terry einer seiner besten Kunden.
    »Leonid? Was ist das denn für ein Name für einen Schwarzen?«
    »Mein Vater war Kommunist. Er hat versucht, mich aus demselben roten Holz zu schnitzen. Er glaubte, dass alle Menschen friedlich zusammenleben könnten, bis auf ihn und seine Familie. McGill ist mein Sklavenname. Deswegen muss ich mit Idioten wie Ihnen Geschäfte machen.«
    »Was für Geschäfte?«
    »Haben Sie je von der Big Bank gehört?«
    »In der 49 th Street?«
    »Dort hatte Peter Cooly ein Sparkonto. Ich kenne einen Typen, einen Geschäftsfreund, der mir einen Gefallen schuldet. Er hat mit einem anderen Typen zu tun, der dort arbeitet. Der Typ in der Bank kann es so aussehen lassen, als hätte Pete im Laufe der letzten sechs Jahre außer der Reihe vierundzwanzigtausend auf sein Konto überwiesen.«
    »Kann er das?« In diesem Moment ließ Terry einen fahren. Er war wirklich ein Mann mit großen Sorgen. »Wie?«
    »Mein Freund und sein Freund brauchen jeweils sechstausend, und dann sind da noch die vierundzwanzig.«
    »So viel Geld hab ich
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