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Maison Aglaia

Maison Aglaia

Titel: Maison Aglaia
Autoren: Peter Hardcastle
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als Vorerbin eines entfernten Neffen des Majors, das Wertpapierpaket gehörte ihr jedoch selbst.
    Sinnigerweise hatte der Major in seinem Testament verfügt, dass Tante Schnuck die Latifundien nur als Witwe nutzen dürfe. Bei einer erneuten Heirat sollte das Erbe sofort dem Neffen zufallen. Doch der überlebte die Wartezeit nicht, und nun wartete sein Sohn schon seit über 30 Jahren darauf, weil Tante Schnuck natürlich nie wieder geheiratet hatte, sondern sich lieber immer neue "Lebensabschnittsgefährten" zulegte.
    Der Neffe des Majors besaß übrigens selbst wesentlich mehr als Tante Schnuck und war auf das Erbe gar nicht angewiesen. Trotzdem hatte er sein Leben lang gemurrt, wann sich die Alte endlich mal das Genick bräche. Er brach es sich selbst, als er in angesäuseltem Zustand vom Hochsitz fiel. Jägerpech.
    Schnuck hatte das Glück, dass des Majors zwei weniger betuchte, aber keineswegs arme Nachfolger durch großzügige Legate in ihren Testamenten Tante Schnucks Vermögen noch erfreulich nach oben abgerundet hatten, denn beide starben nach wenigen, aber fröhlichen  Jahren.
    Peter vermutete wohl zu recht, dass Schnuck, in ihrer Jugend ein heißer Ofen, schon immer etwas anstrengend war. Nur Lebi war so zäh, dass er die letzten elf Jahre munter an ihrer Seite überlebt hatte. Jedenfalls hatte Schnuck ihr Vermögen gepflegt und teilweise in teuerste antike Möbel und Kunstwerke angelegt.
    Seit über vierzig Jahren hatte sie hier gehaust, Männer vernascht, Feste gefeiert, Künstler protegiert, Verwandte brüskiert und Freunden in schweren Stunden Zuflucht und Zuspruch geboten. In ihrer Jugend eine betörend schöne Frau, und auch in vorgerückten Jahren noch eine faszinierende Erscheinung von ungebrochener Vitalität, war Thekla von Misera immer der umschwärmte Mittelpunkt jeder Menschenansammlung von zwei bis zweitausend Leuten. Wobei unter Leuten vorzugsweise Männer zu verstehen waren. Frauen taten sich mit Tante Schnucks Geist, erotischer Ausstrahlung und Vitalität meist schwer, sprich, sie blieben waidwund auf der Strecke.
    Tante Schnuck war aber nicht nur flott, sondern bei ihren Freunden auch als eine unerschütterlich treue Stütze in Freud und Leid beliebt. Auch bei Beatrice und Peter. Deshalb wäre es ihnen trotz ihres theatralischen Gestöhnes nie in den Sinn gekommen ihre über alles geliebte Tante bei diesem Umzug etwa im Stich zu lassen.
    "Kaum zu glauben, dass Schnuck sich so unsentimental von ihrem trauten Heim trennt," wunderte er sich. Peter stand in einem blauen Overall am Fenster und starrte trübselig in den Garten. Hier gab es nicht nur für Schnuck Erinnerungen, auch für ihn war dies ein besonderer Ort.
    Hier hatte er seine erste Freundin geküsst - mit zwölf. Hier hatte er von Schnuck die letzte Ohrfeige bekommen - mit neunzehn. Hier war er mit zweiundzwanzig betrunken unter den Tisch gerutscht - Schnuck hatte das erste und letzte Wett-Trinken meines Lebens gewonnen, natürlich. Und hier hatte er über den Tod eines Freundes geweint - als sein Hund "Barca" eingeschläfert werden musste. Natürlich war auch da wieder Tante Schnuck tröstend zur Stelle gewesen.
    "Du siehst so bekümmert aus, ist was?" fragte Beatrice besorgt.
    Er schüttelte wortlos den Kopf und ging langsam zum Sofa. Vor Beatrice blieb er stehen und sah sie ernst an.
    "Du wirst lachen, aber dieses Haus beherbergt auch viele meiner  Jugenderinnerungen. Mir ist, als müsste ich von einem besonderen Abschnitt meines Lebens Abschied nehmen. Es ist mir leicht und schwer zugleich ums Herz. Wenn ich denke, dass ich hier nie mehr Tante Schnucks lautes Lachen hören werde, habe ich Angst, auch sie zu verlieren. Wenn ich nur wüsste, was danach kommt?"
    Beatrice nahm ihn in die Arme und sagte lächelnd: "Eine Einstandsfete bei Tante Schnuck, bei der wir Dich dann wieder ins Bett schleifen müssen, weil Du nicht mehr richtig laufen kannst!"
    "Na hör mal!" protestierte er beleidigt. "Du tust ja gerade so, als wäre ich der Quartalssäufer vom Dienst. Rekrut Suffkopp, meldet sich zur Stelle, Sie Flasche, hicks!"
    "Du machst das recht überzeugend. Welcher Truppenteil, Soldat?"
    "Von den berühmten 81ern, Herr Obstler! Den 81er Nacktarsch Kabinett-Flaschen, Euer Lordschaft! Jawoll!" schnarrte er mit schwerer Zunge.
    "Prost, rühren!" donnerte Beatrice militärisch.
    "Ist das ein Befehl?"
    "Klar! Warum?" sagte Beatrice.
    "Weil bei uns nie gepanscht wird, Herr Obstler." lallte er und versuchte dabei möglichst blöde zu
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