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Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles
Autoren: Georges Simenon
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als das der Wände, und streckte ihm eine mit Ringen beladene Hand hin. Er fragte sich, ob er sie drücken oder küssen sollte und berührte sie schließlich nur leicht mit den Fingerspitzen.
    »Setzen Sie sich doch bitte. Ich muss mich entschuldigen, dass ich Sie so empfange, aber ich fühle mich nicht wohl und werde mich, glaube ich, nach unserem Gespräch wieder ins Bett legen.«
    »Ich will versuchen, Sie nicht lange aufzuhalten.« »Was denken Sie von mir?«
    »Ich habe Ihnen schon heute Vormittag gesagt, dass Sie eine sehr kluge Frau sind.«
    »Worin Sie sich irren. Ich begnüge mich damit, meinem Instinkt zu folgen.«
    »Erlauben Sie mir als erstes, Ihnen eine Frage zu stellen. Haben Sie sich, bevor Sie mir das Verschwinden Ihres Mannes meldeten, beim Kanzleileiter vergewissert, dass keine Nachricht von ihm vorlag?«
    »Ich habe ihn im Lauf des Monats mehrmals angerufen ... Die Wohnung ist durch eine eigene Leitung mit dem Büro verbunden... Sie müssen wissen, dass dieses Haus, das früher meinem Schwiegervater gehörte, jetzt Eigentum meines Mannes ist...«
    »Monsieur Lecureur... so heißt er doch?... Monsieur Lecureur hat auch keine Nachricht von Ihrem Mann?«
    »Nichts.«
    »Sonst hat er immer Nachricht erhalten?«
    »Das habe ich ihn nicht gefragt. Ich habe Ihnen wohl schon gesagt, dass wir nicht sonderlich gut miteinander auskommen.« Sie zögerte. »Darf ich Ihnen einen Cognac anbieten, oder möchten Sie gern irgendetwas anderes?«
    »Nein, danke.«
    »Ich werde einen Cognac trinken... Sehen Sie, ich schäme mich nicht, vor Ihnen zu trinken... Im Übrigen wird Ihnen jeder erzählen, dass ich Alkoholikerin bin, und das stimmt auch... Vielleicht wird man Ihnen auch erzählen, ich sei verrückt...«
    Sie drückte auf eine Klingel, und kurz darauf erschien ein Butler.
    »Honoré, bringen Sie mir den Cognac und ein Glas...« »Nur eins, Madame?«
    »Eins, ja. Kommissar Maigret hat nicht das Bedürfnis zu trinken...«
    Dieses veränderte Verhalten hatte etwas Aggressives an sich. Sie wollte ihn herausfordern, und ihr bitterer Mund verzog sich zu einem angestrengten Lächeln.
    »Hatten Sie mit Ihrem Mann ein gemeinsames Schlafzimmer?«
    »Ungefähr drei Monate lang, gleich nach unserer Hochzeit. Auf dieser Seite des großen Salons sind Sie in meiner Wohnung. Auf der anderen Seite ist das Reich meines Mannes.«
    »Nehmen Sie die Mahlzeiten gewöhnlich zusammen ein?«
    »Das haben Sie mich schon gefragt... Es kommt vor, aber wir leben nicht im gleichen Rhythmus und haben nicht den gleichen Geschmack...«
    »Was machen Sie in der Ferienzeit?«
    »Wir haben... Pardon, Gerard hat eine große Villa bei Cannes geerbt. Dorthin fahren wir... Vor kurzem hat er sich eine Motorjacht gekauft, und ich sehe ihn noch weniger als in Paris...«
    »Wissen Sie, ob er Feinde hat?«
    »Keine, soviel ich weiß... außer mir...«
    »Hassen Sie ihn?«
    »Nicht einmal das. Ich nehme es ihm auch nicht übel. Er ist eben so.«
    »Sind Sie seine Erbin?«
    »Die Alleinerbin, ja.«
    »Handelt es sich um ein großes Vermögen?«
    »So groß, dass es viele Frauen in meiner Situation in Versuchung führen könnte. Nur mache ich mir aus
    Geld nun mal nichts und würde in irgendeinem Zimmer in der sechsten Etage glücklicher leben...«
    »Warum beantragen Sie nicht die Scheidung?«
    »Aus Trägheit. Oder aus Gleichgültigkeit. Irgendwann kommt der Augenblick, wo man zu nichts mehr Lust hat, wo man jeden Tag dieselben Gesten macht, ohne darüber nachzudenken...«
    Mit zitternder Hand griff sie nach ihrem Glas.
    »Auf Ihr Wohl...«
    Sie trank es ganz aus.
    »Sehen Sie? Eigentlich sollte ich jetzt erröten...«
    »Hat Ihnen das Ihr Mann gesagt?«
    »Ja, als ich zu trinken anfing. Das ist schon viele Jahre her...«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt ist es ihm egal.«
    »Was hätte die Meldung von seinem Tod für eine Wirkung auf Sie? Wären Sie erleichtert?«
    »Nicht einmal das. Er existiert so wenig für mich!«
    »Glauben Sie, dass ihm ein Unglück zugestoßen ist?«
    »Ich habe daran gedacht und bin deshalb zu Ihnen gekommen.«
    »Was könnte ihm zugestoßen sein?«
    »Er hat die Gewohnheit, seine... sagen wir, seine Freundinnen... in Nachtclubs aufzulesen, wo man ja alle möglichen Leute trifft...«
    »Kennen Sie einige dieser Nachtclubs?«
    »Zwei oder drei, dem Namen nach, weil ich Reklame-Streichholzheftchen gefunden habe...«
    »Zum Beispiel?«
    »Le Chat Botté... La Belle Hélène... Warten Sie... Le Cric-Crac...«
    »Sind Sie nie in Versuchung
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